Die Begriffe LRS, ADS oder auch ADHS sind heutzutage in aller Munde. In jeder Kindergarten- oder Schulklasse oder auch im Freundeskreis findet sich, mindestens ein Kind, das einer dieser so genannten “Teilleistungsschwächen“ hat. Kurz: TLS. Während die Lese-Rechtschreib-Schwäche oder auch das Aufmerksamkeits-Defizitsyndrom – mit oder ohne Verbindung zur Hyperaktivität – mittlerweile einen hohen Bekanntheitsgrad erreicht haben, ist die Dyskalkulie, Rechenschwäche, Rechenstörung oder auch Arithmasthenie, bisher weit weniger erforscht und wird dementsprechend seltener von Eltern oder Lehrern erkannt.
Dennoch zählt auch sie zu den Teilleistungsschwächen, die einem Kind die Schuljahre zur Hölle machen können – vor allem, wenn sie nicht rechtzeitig erkannt und therapiert wird.
Das Wesen der Dyskalkulie
Die Dyskalkulie beschreibt eine verzögerte Entwicklung in der Fähigkeit des Kindes, mit Zahlen umzugehen, das Zahlensystem insgesamt zu begreifen, zu verinnerlichen und damit zu agieren.
Die daraus resultierenden Defizite können schon im Vorschulalter sichtbar sein. Meistens jedoch werden sie erst entdeckt, wenn das Kind anfängt, die vier Grundrechtenarten zu erlernen. Manchmal, im Fall einer Rechenstörung, kann es auch dazu kommen, dass das Kind sie nicht erlernt, weil ihm der Zugang dazu verschlossen bleibt. Denn gerade das Addieren, Substrahieren, Multiplizieren und Dividieren bereitet Kindern mit Dyskalkulie die größten Schwierigkeiten.
Für sie stellen Zahlen keine Mengenangaben oder -beschreibungen dar und haben keine dementsprechende Symbolfunktion. So wird beispielsweise nicht erkannt, ob eine Zahl größer oder kleiner ist als die andere. Aus der 21 wird die 12, weil die Zahlen seitenverkehrt geschrieben werden.
Jedoch nicht jedes Kind, das kein mathematisches Genie ist, leidet gleich unter Dyskalkulie. Expertenschätzungen besagen, dass nur etwa 6% aller Grundschulkinder von einer Rechenstörung bzw. einer Rechenschwäche betroffen sind.
Dyskalkulie: Die Symptome
Kein Kind lernt das Rechnen, ohne das Zählen gelernt zu haben. Und genau hier können sich die ersten Schwierigkeiten zeigen – für aufmerksame Eltern bereits vor der Einschulung wahrnehmbar.
Kinder mit Dyskalkulie benutzen immer – und vor allem sehr lange – ihre Finger oder andere Hilfsmittel, um Dinge abzuzählen. Sie können Mengen in ihrer Größe nicht einschätzen, nicht definieren, ob das, was sie immer wieder von vorne abzählen, größer, kleiner, mehr, weniger oder identisch zu einer anderen Menge ist.
Sie haben ohne eine entsprechende Förderung keine Chance, das kontinuierlich und strikt logisch aufeinander aufbauende System der Mathematik zu verstehen, da ihnen diese Logik von Anfang an verschlossen geblieben ist und ohne eine spezielle Therapie auch verschlossen bleiben wird.
Spätestens bei den Grundrechenarten wird die gesamte Tragweite der Dyskalkulie sichtbar. Dann jedoch hat das Kind bereits den Anschluss verloren – und das nicht nur im Fachbereich Rechnen oder Mathematik. Denn die Auswirkungen einen Dyskalkulie sind weitreichender: Betroffene Kinder stoßen an ihre Grenzen, sobald sie in Symbolen denken sollen. Tages-, Wochen- und Jahresverläufe können ebenso zum Problem werden wie die alltäglichen Fertigkeiten, die Uhrzeit oder die Temperatur zu benennen, bis hin zur Schwierigkeiten beim Lesen von Karten, Tabellen oder die Einordnung von Ereignissen in einen Zeitstrahl oder ein Koordinatensystem.
Der Gesamtnotendurchschnitt
Ein weiteres Indiz für das Vorliegen einer Rechenstörung oder Rechenschwäche lässt sich teilweise auch aus dem Gesamtnotendurchschnitt des Kindes ableiten. Denn genau hier zeigt sich, ob das Kind ausschließlich Schwierigkeiten beim Rechnen hat und dort wesentlich schlechter abschneidet als es abschneiden können sollte, da es in allen übrigen Fächern hingegen eine sehr gute bis durchschnittliche Leistungskurve zeigt.
Schnelles Einschreiten wird erforderlich, sollte Ihr Kind neben den Rechen-Schwierigkeiten – oder durch diese bedingt – unnatürlich aggressiv, depressiv oder in sonstiger Form auffällig reagieren. Auch häufig auftrete psychosomatische Beschwerden wie Kopfschmerzen, Bauchschmerzen oder Übelkeit können Symptome sein. Besonders aufmerksam sollten Sie werden, wenn diese als Ausrede genutzt werden um nicht in die Schule zu müssen.
Die Ursachen
Wie bei allen Teilleistungsschwächen können auch bei der Dyskalkulie die Ursachen verschiedenen Ursprungs sein.
Hierzu zählen neuropsychologische Ursachen, wie beispielsweise das nicht perfekt miteinander agierende Ineinander der drei Funktionseinheiten im Gehirn, die gemeinsam für die Zahlenverarbeitung zuständig sind.
Ebenfalls verantwortlich für eine Rechenstörung können entwicklungspsychologische Möglichkeiten sein. Da der Lernprozess generell auf Bekanntem aufbaut und dies mit Neuem verknüpft, kann eine Störung in der persönlichen Lernentwicklung des Kindes eine Dyskalkulie ebenfalls fördern.
Auch wenn es skurril klingt, da Zahlen keine Buchstaben sind, kann dennoch die Beeinträchtigung des Sprachverständnisses eine Rechenschwäche hervorrufen. Insbesondere, da die Mathematik eine eigene Sprache darstellt, innerhalb derer die Übersetzung von Symbol- bzw. Zahlbildern in Mengenbegriffe oder Rechenoperationen erfolgen muss.
Zu guter Letzt kann eine Dyskalkulie genetisch bedingt sein oder vererbt werden.
Die Diagnose Dyskalkulie
Wenn Sie die Vermutung haben, dass auch Ihr Kind von Dyskalkulie betroffen sein könnte, sollten Sie zuerst mit dem Klassenlehrer oder der Klassenlehrerin sprechen. Denn er oder sie sollte am besten beurteilen können, ob und inwieweit die mathematischen Leistungen Ihres Kindes wirklich bedenklich sind.
Sind sie bedenklich, sollten Sie alle erforderlichen Untersuchen durchführen lassen, um so schnell wie möglich zu einer eindeutigen Diagnose zu gelangen, weshalb Ihr Kind diese massiven Schwierigkeiten im Umgang mit Zahlen hat.
Zuerst gilt es, physiologische Ursachen ausschließen.
Danach stehen Ihrem Kind wahlweise Schulpsychologen oder Fachärzte aus dem Psychiatrie- und Psychotherapiebereich sowie Kinder- Jugendpsychotherapeuten zur Verfügung.
Rechentests selbst können in speziellen Beratungsstellen oder innerhalb der schulpsychologischen Dienste durchgeführt werden.
Die eigentliche Diagnose stellt in der Regel jedoch ein Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie, der – zusätzlich zu den schulischen Unterlagen – die Ergebnisse des Rechentests, eines Intelligenztests und gegebenenfalls weiterer sprachlicher oder die Konzentrationsfähigkeit untersuchender Tests sowie die persönliche Entwicklungsgeschichte Ihres Kindes auswertet.
Generell gilt: Die bestätigte Diagnose einer Dyskalkulie sagt nichts über die Intelligenz Ihres Kindes aus.
Die Therapie von Dyskalkulie
Dyskalkulie ist wie die meisten Teilleistungsstörungen nicht vollständig heilbar. Entsprechend wird der Umgang mit Zahlen das gesamte Leben mit Schwierigkeiten begleiten und das betroffene Kind oftmals vor Herausforderungen stellen.
Eine Therapie jedoch lässt jedes Kind große Fortschritte erzielen und es selbstsicherer werden. Vor allen Dingen lernt es, sich den Herausforderungen zu stellen, mit ihnen umzugehen und mit seinem Defizit ohne Minderwertigkeitskomplexe zu leben.
Zu Beginn der Therapie wird genau analysiert, wo die genauen Ursachen für die Rechenschwäche liegen und auf welchem Wissensstand sich das Kind derzeit befindet.
Dieser Status bildet die Ausgangsbasis für eine individuell auf das Kind zugeschnittene Lerntherapie, um auf dem vorhandenen Wissen aufzubauen und die bis dato entstandenen Wissenslücken systematisch aufzuarbeiten, zu schließen und die mathematischen Fähigkeiten des Kindes zu erweitern. Wie bei allen Lerntherapien erfolgen auch bei der Dyskalkulie die Übungen in spielerischer Form, um Leistungsdruck und Versagensängste kontinuierlich abzubauen.
Eine außerschulische Lerntherapie kann jedoch nur dann Erfolg haben, wenn Therapeuten, Eltern, Kind und vor allem die Schule eng zusammenarbeiten.
Auch ist die Kostenübernahme zu klären, da zumeist weder Schulen noch Krankenkassen die Kosten für eine solche Therapie tragen. Wie und wo Sie sich hierzu entsprechend beraten lassen können, entnehmen Sie bitte den Links am Ende des Textes.
Wie Sie Ihrem Kind bei Dyskalkulie helfen können
Wichtiger als alles andere sind für Ihr Kind verständnisvolle Eltern, die es so lieben, wie es ist. Erklären Sie Ihrem Kind, warum es solche Schwierigkeiten im Umgang mit Zahlen hat, dass es aber Möglichkeiten gibt, diese Schwierigkeiten Schritt für Schritt aufzuarbeiten. Hier greift die außerschulische Lerntherapie.
Entsprechend können und sollten Sie den bisherigen Druck aus Hausaufgaben und Co. herausnehmen. Dazu bieten sich Ihnen die folgenden Möglichkeiten:
1. Definieren Sie die Zeit für die Hausaufgaben und halten Sie diese ein – ganz gleich, ob Ihr Kind alle Aufgaben gelöst hat oder nicht.
2. Loben Sie jeden noch so kleinen Fortschritt, denn das, was Ihr Kind am nötigsten braucht, ist Zuspruch, Selbstvertrauen und die Erkenntnis, dass es sich tatsächlich Schritt für Schritt verbessert – ganz gleich, wie klein diese Schritte Ihnen persönlich erscheinen.
3. Fördern Sie die übrigen Stärken Ihres Kindes und geben Sie diesen genug Spielraum. Das Thema Dyskalkulie darf auf keinen Fall zum Dreh- und Angelpunkt des Alltags werden – denn das hilft weder Ihnen, Ihrer Familie und vor allem nicht Ihrem Kind.
4. Suchen Sie das Gespräch mit den Lehrern und finden Sie heraus, wie Sie die schulische Situation Ihres Kindes verbessern können. Beispielsweise hilft es, wenn das Kind nah am Lehrerpult sitzt, da es dort am wenigsten abgelenkt wird, und der Lehrer es jederzeit sehen kann. Möglichkeiten wie diese, dem Kind den Schulalltag zu erleichtern, finden sich viele.
Weiterführende Informationen erhalten Sie:
– beim Bundesverband Legasthenie und Dyskalkulie unter: http://www.bvl-legasthenie.de
– beim Deutschen Bildungsserver unter: http://www.bildungsserver.de sowie unter: http://www.rechenschwaeche.de/links.html
Die Internetseite www.rechenschwaeche.de hält zudem einen Symptom-Fragebogen für Grundschulkinder und für Schulkinder der 5. – 9. Schulklasse bereit, ebenso wie eine Vielzahl interessanter Links und Veröffentlichungen.
Dyskalkulie-Software, mit der Ihr Kind spielerisch sein mathematisches Verständnis aufbauen, verinnerlichen und erweitern kann, findet sich bei Tintenklex unter: http://www.legasthenie-software.de/game/einmaleins.htm
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