Das unwiderrufliche Tattoo: Erlauben oder verbieten? Warum nur geht die Zeit so schnell vorbei? Noch gestern waren sie klein, hatten niedliche Frisuren, noch niedlichere Jeanshosen und konnten herrliche Flunschschnuten ziehen. Letzteres können Pubertierende zwar auch jetzt noch, aber viel besser sind sie darin, jedes Verbot in Frage zu stellen – insbesondere, wenn es um das heiß begehrte Tattoo geht. Was also tun, wenn das heranwachsende, allerdings noch minderjährige Kind unbedingt eine Tätowierung haben möchte? Erlauben oder verbieten?
Generelles zur Tätowierung:
Während Tätowierungen früher Seeleuten, Soldaten oder Sträflingen “vorbehalten“ waren, gelten sie heutzutage als Körperkunst. Wer sich ein Tattoo in schmerzhaften Sitzungen unter die Haut stechen lässt, sollte sicher sein, dass er das, was das Tattoo zeigt und ausdrückt, sein Leben lang tragen möchte. Denn eine Tätowierung ist unwiderruflich und nicht mehr rückgängig zu machen. Auch wenn eine Laserentfernung generell möglich ist, sollte nicht vergessen werden, dass sie sowohl teuer und schmerzhaft ist als auch gesundheitsschädigend sein kann. Der Erfolg lässt dabei ebenfalls oft zu wünschen übrig, je nachdem wie tief, wie frisch, wie groß die Tätowierung ist und welche Lasertechnik zur Entfernung verwendet wird. So genannte Bio-Tattoos sind dabei keinesfalls eine Alternative. Zwar lösen sich ihre Farbpigmente wieder auf, allerdings dauert dieser Vorgang nicht nur einige Jahre, sondern vollzieht sich auch unregelmäßig. Vor allem aber bleiben zumeist einzelne Teile oder Schattierungen des ursprünglichen Tattoos erhalten, da es fast unmöglich ist, so genau zu arbeiten, dass die verwendeten Farben nicht zu tief in die Haut eindringen.
Den Wunsch nach einem Tattoo nicht aus Prinzip verneinen:
Dennoch gilt es, den Wunsch eines Kindes nach einem Tattoo nichtrigoros abzulehnen, sondern zu hinterfragen. Denn gerade in der Pubertät ist es wichtig, dem Heranwachsenden das Gefühl zu geben, ernst genommen zu werden – auch wenn es um das leidige Thema “Tattoo“ geht. Deshalb sollten Sie:
- Fragen und vor allem verstehen können, warum Ihr Kind unbedingt eine Tätowierung haben möchte. Ist es vielleicht im Freundeskreis gerade einfach nur “in“, sich tätowieren zu lassen? Möchte Ihr Kind einem Idol oder Star nacheifern und sich dadurch mit ihm oder ihr verbunden fühlen? Vielleicht möchte Ihr Kind aber mit der Tätowierung auch ein hieb- und vor allem stichfestes Symbol für sich selbst setzen? Oder ist es wirklich der Wunsch, den eigenen Körper zu modifizieren – und zwar nicht nur für die nächsten Jahre, sondern für den Rest seines Lebens?
- Finden Sie heraus, welche Art von Tattoo Ihrem Kind vorschwebt, was es ausdrücken, wo es platziert werden und welche Bedeutung es für Ihr Kind haben soll.
- Wenn Sie dann immer noch gegen eine Tätowierung sind, versuchen Sie, Ihrem Kind verschiedene Situationen darzustellen, in denen eine Tätowierung später störend sein kann oder in denen es die Tätowierung vielleicht bereuen wird. Beispielsweise bei Vorstellungsgesprächen, in der Berufswahl oder auch im Falle einer späteren Schwangerschaft, wenn das Tattoo bei einer Tochter beispielsweise um den Bauchnabel herum seinen Platz finden soll. Denn dann dehnt sich dieses ebenso aus wie auch der wachsende Bauch. Im besten Fall findet die Tätowierung danach in ihre ursprüngliche Form zurück, im schlechtesten Fall wird sie reißen und vielleicht von unschönen Schwangerschaftsstreifen durchzogen sein.
Dem Wunsch nach einem Tattoo mit Kompromissen begegnen
Viele Eltern verbieten eine Tätowierung prinzipiell und gestehen sie ihrem Kind erst zu, wenn es volljährig ist und tun und lassen kann, was es will. Wenn sie die Verschönerung – oder aus Sicht der meisten Eltern – eher die Verschandelung des Körpers so oder so nicht mehr verhindern können. Experten hingegen halten diese Einstellung für falsch, da sie die Selbstfindungsphase und die Identitätssuche der Heranwachsenden nicht unterstützt, sondern im Gegenteil hemmt. Dementsprechend sollten Eltern mit ihren Kindern vielmehr versuchen, einen Kompromiss zu finden. Zu den möglichen Kompromissen zählen:
- Das gewünschte Tattoo erst einmal mit Pflanzenfarbe “stechen“ zu lassen. Bei der so genannten Henna-Tätowierung wird die Farbe nämlich nicht unter die Haut gestochen, sondern nur in die Hornschichten der Oberhaut gefärbt. Da sich diese innerhalb von 28 Tagen einmal komplett erneuert, ist auch nach vier Wochen von dem Tattoo nichts mehr zu sehen. So hat nicht nur Ihr Kind die Möglichkeit, die Wunsch-Tätowierung ausgiebig zu begutachten und sich daran zu gewöhnen, sondern auch Sie. Oftmals ist es aber auch der Fall, dass bereits die Henna-Tätowierung den Hausfrieden wieder herstellt, da Söhnchen oder Töchterchen mit dieser ersten “Tätowierung“ schon zufrieden sind, eine endgültige Bodymodification aber im Anschluss daran noch einmal überdenken.
- Eine weitere Möglichkeit des Kompromisses ist es, den Wunsch des Kindes über einen bestimmten Zeitraum zu beobachten und zu vereinbaren, dass, wenn sich beispielsweise innerhalb eines Jahres weder das gewünschte Motiv noch die gewünschte Positionierung auf dem Körper ändern, dem Tattoo-Wunsch nachgegeben wird. So haben Sie die einmalige Möglichkeit, herauszufinden, wie intensiv der Wunsch Ihres Kindes wirklich ist. Ihr Kind hingegen wird in der Zwischenzeit davor geschützt, sich die erstbeste Idee unter die Haut stechen zu lassen. Allerdings müssen Sie zum vereinbarten Zeitpunkt zu Ihrem Wort stehen, wenn auch Ihr Kind konsequent an seinen Vorstellungen festgehalten hat.
- Die dritte Möglichkeit eines Zugeständnisses liegt in einer sehr kleinen und nahezu versteckten Tätowierung. Diese Möglichkeit ist allerdings mit Vorsicht zu genießen. Vor allem dann, wenn Sie ein Kind haben, das einfach nur furchtbar gerne ein Tattoo haben möchte. Denn dann wird es Ihrem Vorschlag mit Sicherheit und ohne zu zögern zustimmen und sich vielleicht irgendwo einen Schmetterling, eine Rose, ein Schwert, einen Salamander oder sonst etwas unter die Haut stechen lassen. In jedem Fall ein Motiv, das ihm oder ihr in einigen Jahren oder vielleicht schon nach wenigen Wochen überhaupt nicht mehr gefällt, weil es nicht das ist, was es ursprünglich hätte haben wollen. Und dreimal dürfen Sie raten, wer dann die Schuld daran trägt.
Die gesetzliche Regelung zur Tätowierung Minderjähriger
Die schlechte Nachricht zuerst:
Eine gesetzliche Regelung, ab wann man sich tätowieren lassen darf, gibt es nicht. Generell kann sich also jeder Jugendliche jederzeit ein Tattoo stechen lassen.
Die gute Nachricht:
Seriöse Tätowierer und Tattoo-Studios tätowieren generell nicht, wenn der Jugendliche unter 14 Jahre alt ist – auch nicht mit Einverständnis der Eltern. Und auch danach, bei den 14- bis 16-Jährigen reicht allein die schriftliche Einverständniserklärung nicht aus, sondern es wird verlangt, dass die Eltern bzw. mindestens ein Elterteil während der Sitzung oder der Sitzungen anwesend ist. Erst ab 16 Jahren werden Jugendliche allein auf Grund der schriftlichen Einverständniserklärung eines Erziehungsberechtigten tätowiert. Mit dieser Einverständniserklärung wird dann auch gleichzeitig die Haftung der Tätowierer ausgeschlossen, da Tätowierungen vor dem Gesetz als Bodymodification gewertet werden.
Zum näheren Verständnis:
Sofern Ihr Kind noch nicht volljährig ist, geben Sie mit der Einverständniserklärung also gleichzeitig die Zustimmung zur Verletzung des Körpers Ihres Kindes. Da beim Tätowieren höchste Hygienevorschriften gelten sollten, die in Deutschland aber leider nicht regelmäßig kontrolliert werden, ist es deshalb in manchen Fällen mit Sicherheit ratsamer, Ihr Einverständnis zu geben und dabei zu sein, wenn Ihr Kind mit beispielsweise 17 Jahren tätowiert werden möchte, als wenn es auf eigene Faust loszieht und seinen Willen bei einem unseriösen Tätowierer durchsetzt. Denn dann kann nicht nur eine schlechte Tätowierung die Folge sein, sondern bei mangelnder Hygiene auch eine Infektion – eventuell eine unbedenkliche, eventuell aber auch eine schwerwiegende wie beispielsweise die mit HIV oder Hepatitis.
Deshalb gilt:
Auch wenn es Ihnen persönlich schwer fällt, nehmen Sie den Wunsch Ihres Kindes nach einem Tattoo ernst und setzen Sie sich mit diesem – und vor allem Ihrem Kind darüber – intensiv auseinander. Mit ganz viel Glück legt sich der Wunsch vielleicht von selbst.
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