Schon Mark Twain hat erkannt, dass Kinder Vorbilder brauchen, auch und vor allem in der Pubertät. Denn dann bedeutet Erwachsensein wie er es formuliert hat „das Richtige auch dann zu tun, wenn es die Eltern empfohlen haben!“ Pubertierende wollen angeleitet werden. Nicht immer und jederzeit, aber immer dann, wenn sie von sich aus Anleitung und Rat einfordern oder die Eltern auch einfach nur um ihre Meinung fragen. Dass dabei nicht immer – und gerade in der Pubertät äußerst selten – alle Beteiligten einer Meinung sind, ist klar. Aber sich mit bestimmten Themen unter verschiedenen Blickwinkeln und Perspektiven auseinanderzusetzen, beinhaltet, wenn man es wörtlich nimmt, das “Sich-Auseinander-Zu-Setzen“ und dementsprechend auch, sich manchmal voneinander zu entfernen. Dieser Entfernungs- oder Ablösungsprozess ist für alle Pubertierenden von enormer Bedeutung, da sie sich nur so zu einer eigenständigen Persönlichkeit entwickeln können. Eigenständig, selbstbewusst und selbstsicher, mit eigenen Vorstellungen, Meinungen, Ideen, Idealen und Zielen. Das aber gelingt nur dann, wenn die Eltern keinem der drei nachfolgenden Elterntypen entsprechen, die ihren heranwachsenden Kindern in der von Veränderung und Auseinandersetzung geprägten Zeit der Pubertät keine Vorbilder und dementsprechend keine Persönlichkeiten sind, an denen sich der Jugendliche orientieren kann. Orientierung bedeutet in diesem Zusammenhang, die Auseinandersetzung nicht zu scheuen, Konflikten nicht aus dem Weg zu gehen oder sie durch elterliche Machtausübung im Keim zu ersticken bzw. Probleme ausschließlich so zu lösen versuchen. Orientierung bedeutet in diesem Zusammenhang vielmehr, den Heranwachsenden als das anzunehmen, was er ist: Eine kleine Persönlichkeit, die gerade in der oftmals schwierigen Zeit der Pubertät den unaufdringlichen elterlichen Halt benötigt, aber dennoch losgelassen werden möchte, damit sie sich erproben und erwachsen werden kann.
Begegnung auf gleicher Augenhöhe – Der Kumpeltyp
Viele Mütter und Väter sind stolz darauf, der beste Freund oder die beste Freundin ihres Kindes zu sein. Wenn aber Eltern schon während der Pubertät ihre Erziehungsfunktion aufgeben und sich lieber auf Augenhöhe ihres Kindes begeben, sich also als Kumpel ihres Kindes sehen, verstehen und auch so auftreten, ist das für dessen Entwicklung eher problematisch.
Natürlich kann man es Pubertierenden als Eltern eh nicht recht machen, und die meisten Jugendlichen finden ihre Eltern irgendwann sowieso blöd – entweder weil sie zu streng sind, weil sie ihnen alles durchgehen lassen, obwohl der Teenager eigentlich nur seine Grenzen austesten und sich mit seinen Eltern messen möchte, weil die Eltern zu nachlässig sind, ihnen nichts zutrauen, ihnen alles abnehmen oder eben auch, weil sie zu jugendlich auftreten. Jung gebliebene Eltern, die die Pubertät ihres Kindes mit Gelassenheit und einer gesunden Portion Humor nehmen, sind mit Sicherheit ein Traum. Eltern hingegen, die auf jugendlich machen, nicht. Denn sie haben für das Kind keine Vorbildfunktion und können es nicht anleiten.
Pubertierende brauchen manchmal eben doch den Rat ihrer Eltern – ihrer erwachsenen Eltern, den sie ihnen auf Grund ihres Wissensvorsprungs und ihrer Erfahrung geben können. Wenn Pubertierende die Meinung Gleichaltriger interessiert, dann fragen sie ihre Freunde. Dementsprechend sind Eltern, die auf jugendlich und Kumpel machen, weder ein erwachsenes Vorbild, noch sind sie authentisch. Wie sollen sich Pubertierende in so einer Eltern-Kind-Beziehung ernst genommen fühlen? Oder wie es Dr. Jan-Uwe Rogge formuliert hat: „… als ob diese davon begeistert sind, Freunde mit schütterem Haar und schlaffer Haut zu haben.“
Machtkämpfe auf allen Ebenen – Der machtorientierte Elterntyp
Die Kinder machtorientierter Eltern pubertieren nicht. Denn das, was Vater oder Mutter sagen, ist Gesetz. Sie haben immer Recht, sie wissen immer, was zu tun ist, sie bestimmen, wo es lang geht. So steht es in §1 der Familienagenda. Missachtet der Sprössling die elterliche Gesetzgebung und damit eindeutig benannten Paragraphen, tritt automatisch §2 in Kraft. Und der besagt: Die Eltern haben auch dann Recht, wenn sie im Unrecht sind.
Kinder, die sich in einer solchen Atmosphäre entwickeln sollen, werden allenfalls zu Schoßhündchen, die gehorchen, wenn sie gerufen werden und ihnen „Sitz!“, „Platz“ und „Aus“ befohlen wird. Ab und an werden sie vielleicht bellen und vielleicht zwischendurch auch mal die Zähne fletschen. Nur beißen werden sie nicht. Denn erstens konnten sich ihre Zähne nie richtig entwickeln, zweitens beißt man nicht die Hand, die einen füttert. Machtorientierte Eltern versagen ihrem Kind, sich auszuprobieren, Grenzen auszutesten und diese gegebenenfalls zu erweitern, Standpunkte auszutauschen, Kompromisse einzugehen und Konflikte fair zu lösen. Sie sehen nicht den schon bald erwachsenen Menschen, sondern ausschließlich das Kind, das es durchs Leben zu führen gilt – und zwar mit allen Möglichkeiten, die sich den Eltern zur Führung bieten. Angefangen bei einer routinierten Kontrolle über strategische Manipulation bis hin zur elterlichen und äußerst dominanten Machtausübung. Wer die Entwicklungsanforderungen, die Bedürfnisse und Persönlichkeit seines Kindes dermaßen ignoriert, muss sich nicht wundern, wenn er in der Vorbildfunktion auf einem der hintersten Plätze rangiert.
Im Zweifel für den Jugendlichen – Der passive Elterntyp
Passive Eltern zu sein bedeutet nicht, seine Kinder zu ignorieren. Im Gegenteil, passive Eltern können äußerst aktiv sein. Vor allem dann, wenn sie ihrem Nachwuchs alles aus der Hand nehmen, ihm die Sachen hinterher räumen und sofort parat sind, wenn der kleine Liebling pfeift. Passive Eltern vernachlässigen aber ihre Erziehungsfunktion und ignorieren somit nicht nur ihre eigenen Bedürfnisse, sondern auch die ihrer Kinder. Sie ignorieren dabei die Entwicklungsschritte, die jeder Heranwachsende während der Pubertät vollziehen muss und zu denen nicht nur Freiheiten gehören, sondern auch Pflichten, Regeln, Grenzen.
Eltern, die ihr Kind einfach machen lassen, lassen ihr Kind gleichermaßen allein und auf sich selbst gestellt. Denn die Annahme, dass Kinder mit zunehmendem Alter unbedingt ihre Freiheit haben möchten, ist falsch. Sie möchten zwar mehr Freiheiten, aber sie möchten sich diese auch verdienen, manchmal sogar erkämpfen. Das wiederum geht aber nicht, wenn die passiven und damit äußerst konfliktscheuen Eltern alles von vorneherein erlauben oder besser gesagt: erdulden. Derjenige, den man mit Füßen treten kann, ist dementsprechend auch kein Vorbild. Im Gegenteil: Oftmals sinken passive Eltern in der Achtung ihrer Kinder, weil ihnen das Rückgrat, was Erwachsene in den Augen von Jugendlichen oftmals auszeichnet, zu fehlen scheint.
Der kategorische Imperativ nach Kant
Wie man es richtig macht? Indem Eltern sie selbst bleiben und damit jederzeit authentisch sind. Indem man Jugendliche mit Respekt und Achtung behandelt, diesen Respekt aber auch für die eigene Person verlangt. Indem man Regeln und Grenzen vorgibt, innerhalb derer sich der Jugendliche bewegen und entwickeln kann. Regeln und Grenzen, die mit zunehmendem Alter regelmäßig hinterfragt und gegebenenfalls erweitert werden – und zwar mit dem Jugendlichen gemeinsam. Indem man gelassen, geduldig und liebevoll, vor allem aber konsequent bleibt.
Indem man weder nur kumpelhaft, machtorientiert oder passiv agiert. Einfach: Indem man für seine Kinder jederzeit Vorbild ist! Oder als kategorischer Imperativ nach Kant formuliert: Behandle Deinen Gegenüber immer genau so wie auch Du behandelt werden möchtest.
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