Spätestens wenn ihre Kinder in die Pubertät kommen, wird vielen Eltern klar, dass auch der Auszug aus dem Elternhaus nicht mehr allzu weit entfernt ist. Die Zeichen zeigen sich deutlich: Gleichaltrige Freunde, zeitaufwändige Hobbys, langes und häufiges Ausgehen, das eigene Aussehen – alles scheint wichtiger als die Familie, als die Eltern. Deshalb sollte die Pubertät nicht nur als Zeit der Veränderung für die Kinder, sondern auch als Möglichkeit für die Eltern gesehen werden, auch ihr Leben mit neuen Zielen und Perspektiven zu versehen. Das gilt vor allem für Mütter oder mittlerweile ja auch Väter, die sich bisher ausschließlich oder hauptsächlich der Erziehung gewidmet haben. Denn wer sich “nur“ über Haushalt und Erziehung definiert und darin seinen Lebensinhalt sieht, wird es schwer haben, sobald die Kinder wirklich erwachsen sind und das Elterhaus nur noch als Besucher betreten.
Pubertät ist, was man draus macht
Mit Kindern und vor allem mit Pubertierenden im Haus haben Väter und Mütter immer genügend Themen, über die sie sich austauschen können. Denn irgendetwas ist ja bekanntlich immer. Wie ruhig und wenig kommunikativ die eigene Partnerschaft womöglich in den vergangenen Jahren geworden ist, merken viele Eltern erst dann, wenn die Kinder ausziehen, und sich die Ehe- oder Lebenspartner nur noch wenig bis gar nichts mehr zu sagen haben. Kein Wunder also, dass – sobald die Kinder ausgezogen sind und auf eigenen Beinen stehen – sehr häufig Ehen geschieden werden oder sich unverheiratete Paare trennen. Um das zu vermeiden, sollten Eltern eben nicht nur Eltern sein, sondern sich ein Beispiel an ihren Kindern nehmen, die, wenn auch zwangsläufig, die Zeit der Pubertät nutzen, um sich auszuprobieren, zu verändern, weiterzuentwickeln und zu einer eigenen Identität zu finden. Und genau das sollten Eltern ebenfalls tun – und zwar nicht erst dann, wenn die Kinder erwachsen sind, sondern zeitgleich zur Pubertät ihrer Kinder. Auch sie brauchen eine neue Identität, die sie nicht nur als Eltern kennzeichnet. Wenn also das Kind ohnehin schon pubertiert, dann kann man auch gleich die ganze Familie pubertieren lassen und nicht nur die Beziehung zum heranwachsenden Kind auf eine neue Basis stellen, sondern auch die Beziehung zu sich selbst und insbesondere die zum Lebenspartner.
Aus Liebenden werden Eltern, aus Eltern weiterhin oder wieder Liebende
Spätestens mit Beginn der Pubertät ihrer Kinder sollten Eltern deshalb wieder damit beginnen, Zeit gemeinsam zu zweit zu verbringen. Gemeinsame Abende, an denen sie mal wieder ausgehen, gemeinsame Wochenendtrips und gemeinsame Urlaube ohne Kinder können da genauso helfen wie Hobbys, die man gemeinsam finden und pflegen kann.
Pubertierende Teenager haben wenige bis keine Probleme, wenn die Eltern auch einmal alleine etwas unternehmen. Im Gegenteil: Abgesehen von der “sturmfreien Bude“ oder der intensiven Zeit, die sie mit ihren Großeltern, anderen Verwandten oder ihren Freunden währenddessen verbringen dürfen, brauchen Heranwachsende das Gefühl und das Erleben, dass ihre Eltern weitaus mehr sind als nur Eltern. Denn natürlich merken Jugendliche, ob die Beziehung ihrer Eltern noch funktioniert oder ob sie nur deshalb noch existiert, weil das gemeinsame Kind das Glied ist, welches die Familienkette zusammenhält.
Um sich im Laufe der Pubertät von ihren Eltern lösen zu können, brauchen Heranwachsende die Sicherheit, dass ihre Eltern auch ohne sie noch etwas mit sich anzufangen wissen. Sowohl gemeinsam zu zweit als auch jeder der beiden für sich allein.
Alleinerziehend oder Alleinstehend ist nicht gleichbedeutend mit Alleinsein
Insbesondere für Alleinerziehende oder Alleinstehende ist es wichtig, während und nach der Pubertät ihrer Kinder nicht das Gefühl zu haben oder zu bekommen, überflüssig zu sein, ausgedient zu haben und nicht zu wissen, was sie mit sich und ihrer nun gewonnenen Freizeit anfangen sollen. Vielfach ist zu beobachten, dass Mütter oder Väter – manchmal sogar, wenn diese weder allein erziehend noch allein stehend sind – nichts an ihrem Tagesablauf verändern, obwohl kein Kind mehr im Haus ist, das noch versorgt und bemuttert werden möchte.
Solchen Müttern und Vätern fehlt nicht nur das Selbstverständnis, dass sie mehr sind als nur Mutter oder Vater, sondern ihnen fehlt auch eine Perspektive. Und Perspektivlosigkeit schlägt bekanntlich nur die Zeit tot. Oftmals drängen sich solche Mütter oder Väter den Kindern auf, klagen ein, dass sie vernachlässigt werden, versuchen, noch immer so viel wie möglich für ihre Kinder zu tun und zu erledigen, damit sie sich weiterhin gebraucht fühlen. Wer so nicht enden und die Kinder verzweifelt wie ein Klammeräffchen festzuhalten versuchen möchte, sollte ebenfalls die Phase der Pubertät nutzen, um seine eigene Persönlichkeit jenseits der Mutter- oder Vaterrolle zu finden. Sei es durch neue Freundschaften, ehrenamtliche Aktivitäten, intensive Hobbys, Sport oder die Chance, etwas völlig Neues zu machen wie beispielsweise einen VHS-Kurs zu besuchen oder ein Studium zu beginnen.
Pubertät bedeutet, sich zu entwickeln
Pubertät bedeutet also nicht nur für die Kinder, sich zu entwickeln, sondern auch für die Eltern. Damit sie ihre Kinder auch wirklich dabei unterstützen können, erwachsen zu werden und das Elternhaus zu verlassen. Kinder, die spüren, dass sie der einzige Lebensinhalt der Eltern sind, fühlen sich hingegen gehemmt, ihre Interessen und Bedürfnisse auszuleben. Sie spüren unterbewusst, dass sie von den Eltern nicht losgelassen werden möchten, weil dann ihr Lebensinhalt in Scherben zerbricht. Und genau das macht sie unfähig bzw. nur vermindert fähig, sich selbst zu lösen. Deshalb wahrscheinlich gibt es auch so viele über 30-Jährige oder noch älter, die noch immer mit Mama und Papa unter einem Dach leben. Und das ist nicht nur eine traurige Bilanz, sondern auch ein exzellentes Beispiel dafür, was passieren kann, wenn sich Väter nur als Väter und Mütter nur als Mütter sehen.
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