Schlafwandeln – was ist das eigentlich?
Schlafwandeln tritt in der Regel ein bis zwei Stunden nach dem Einschlafen auf und kommt bei Kindern häufiger vor als bei Erwachsenen. Die Ursache wird im Gehirn vermutet, denn bei Kindern ist es noch in der Entwicklung, so dass die Synapsen und Verbindungen oft noch nicht vollständig ausgebildet sind. Beim Schlafwandeln befindet sich das Gehirn in einem Schlafstadium wie dem REM-Schlaf oder Tiefschlaf. Bei “normalen” Schläfern sind Teile des Gehirns während dieser Zeit praktisch auf Standby geschaltet. Bei Kindern können die motorischen Zentren jedoch noch Befehle empfangen. Ein Teil des Gehirns, der das Gehen steuert, ist aktiv, während der Rest des Gehirns schläft. Dies kann zu Schlafwandeln führen. Es ist nicht bekannt, warum manche Kinder eher zum Schlafwandeln neigen als andere.
Symptome
Schlafwandeln oder Somnambulismus ist eine Schlafstörung, bei der Menschen im Schlaf laufen oder andere Aktivitäten ausführen. Schlafwandlerische Episoden können einige Sekunden bis mehrere Minuten dauern und treten häufig in der Tiefschlafphase auf. Während einer Schlafwandelepisode kann sich eine Person bewegen und scheint wach zu sein, ist aber nicht ansprechbar und kann sich danach nicht mehr an das Ereignis erinnern. In manchen Fällen verlassen Schlafwandler sogar ihre Wohnung und wandern draußen umher.
Zu den Symptomen des Schlafwandelns gehört, dass man umhergeht oder sich bewegt, ohne sich dessen bewusst zu sein, was man tut. Menschen, die schlafwandeln, haben oft einen ausdruckslosen oder leeren Blick und reagieren möglicherweise nicht, wenn man sie anspricht. In einigen Fällen können sie desorientiert oder verwirrt wirken. Außerdem neigen Schlafwandler dazu, ein vermindertes Schmerzempfinden zu haben, was gefährlich sein kann, wenn sie sich während eines Anfalls verletzen.
Wie häufig tritt das Phänomen schlafwandeln bei Kindern auf?
Dass Kinder schlafwandeln, ist keine Seltenheit. Im Gegenteil, denn dieses Phänomen, das mit den medizinischen Fachbegriffen Somnambulismus oder Somnambulie beschrieben wird, tritt gerade bei Kindern zwischen fünf und zwölf Jahren vermehrt auf. Insgesamt 15 Prozent der Kinder innerhalb dieser Alterskategorie sind betroffen. Das heißt, sie verlassen im Tiefschlaf ihr Bett und begeben sich auf eine unbewusste nächtliche Entdeckungsreise. Ohne direkte Orientierung, ohne festes Ziel, ohne die geringste Ahnung, was sie da eigentlich treiben und vor allem: Die kleinen Schlafwandler haben keine Erinnerung an ihre nächtlichen Eskapaden und Handlungen, wenn sie am nächsten Morgen wieder aufwachen.
Zusätzlich zu diesen 15% gibt es weitere Kinder, die zwar auch schlafwandeln, ihr Bett aber dabei nicht verlassen. Sie setzen sich beispielsweise nur kurz auf, reden vor sich hin, bewegen ihre Gliedmaßen in immer wiederkehrenden Abläufen oder Ähnliches. Vor allem aber laufen sie weitaus weniger Gefahr, sich bei ihren nächtlichen Abenteuern zu verletzen als Kinder, die durch Kinderzimmer, Haus oder Wohnung wandeln.
Dennoch zählt sowohl das eine als auch das andere Verhalten zu den schlafwandlerischen Aktivitäten. Daraus folgt: Das sogenannte Schlafwandeln ist bei Kindern zwischen fünf und zwölf Jahren eher häufiger als selten. Die Frage ist jedoch, warum?
Warum schlafwandeln Kinder?
Den Grund für die unbewusste nächtliche Aktivität sehen Forscher in der kindlichen Gehirnentwicklung. Die nächtliche Verarbeitung von Eindrücken, Erlebtem und Gelerntem sowie die ständige Neuverknüpfung von Nervenzellen sorgen dafür, dass bestimmte Areale im kindlichen Gehirn auch in der Nacht noch aktiv sind. Deshalb sprechen Experten bei schlafwandelnden Kindern von einer Unreife des Gehirns oder auch von einem noch nicht ausgereiften zentralen Nervensystem.
Insbesondere die Verbindung zum Bewegungszentrum kommt offensichtlich in der Nacht nicht immer zur Ruhe und sorgt so durch Muskelimpulse für die nächtliche Aktivität: sowohl für stereotype Bewegungsabläufe im Bett als auch für das nächtliche Aufstehen und durch die Gegend wandern. Deshalb gehen Wissenschaftler davon aus, dass Schlafwandeln bei Kindern in den meisten Fällen kein Grund zur Besorgnis ist, sondern ein “normaler“ neurologisch bedingter Vorgang, dem keine ernsthafte Erkrankung zugrunde liegt. Dies belegt die Tatsache, dass das Schlafwandeln von Kindern mit zunehmendem Alter immer seltener auftritt, in der Pubertät dann meistens gar nicht mehr.
Wenn Kinder also ab und an mal schlafwandeln, ist das nichts, worüber sich Eltern ernsthafte Sorgen machen müssten. Sorgen sind allerdings dann berechtigt, wenn das Kind über einen längeren Zeitraum jede Nacht aus dem Bett stolpert. Dann sollte schulmedizinisch – in diesem Fall am besten schlafmedizinisch – abgeklärt werden, ob sich hinter dem offensichtlichen Schlafwandeln nicht vielleicht noch etwas anderes verbirgt. Beispielsweise eine andere Art der Schlafstörung oder eine Anfallserkrankung. Kinderarzt und Schlafmediziner sind in einem solchen Fall mit Sicherheit die richtigen Ansprechpartnerr für eine Diagnose und eine eventuelle Therapie.
Weitere Faktoren und Ursachen
Demzufolge ist die Entwicklung des kindlichen Gehirns jedoch nicht allein der Auslöser für das nächtliche Umhertreiben. Sonst ließe sich nicht erklären, warum auch manch Erwachsener zwischenzeitlich die Nacht zum Tag macht und schlaftrunken durch die Gegend wandelt. Zu den weiteren Faktoren, die das Schlafwandeln fördern oder auslösen können, zählen extreme psychische Belastungen, Stress, Schlafmangel, eine laute Geräuschkulisse, und Krankheiten wie Infektionen und Fieber. Alles Auslöser, die das Gehirn trotz Schlaf einfach nicht zur Ruhe kommen lassen wollen.
Durch Hirnstrommessungen konnten Forscher nachweisen, dass die gemessene Aktivität im Gehirn nachtaktiver Kinder und nachtaktiver Erwachsener in verschiedenen Arealen ruht, in anderen hingegen noch aktiv ist. Damit zeigt sich eindeutig, dass der Zustand des Schlafwandelns weder eindeutig dem Schlaf- noch dem Wachzustand zuzuordnen ist. Doch auch die genetische Vererbung hat beim Schlafwandeln ihre Finger mit im Spiel. So zeigen Untersuchungen: Sind schon die Eltern Schlafwandler, wird auch das Kind mit einer Wahrscheinlichkeit von 60 Prozent zu den nächtlichen Episoden neigen. Jungen sind davon im Allgemeinen weitaus häufiger betroffen als Mädchen.
Was tun, wenn Kinder schlafwandeln?
Es ist der Albtraum aller Eltern: Sie wachen mitten in der Nacht auf und stellen fest, dass Ihr Kind schlafwandelt. Auch wenn es verlockend sein kann, das Kind aufzuwecken, ist es eigentlich wichtiger, ruhig und verständnisvoll zu reagieren. Am besten ist es, wenn du dich langsam näherst und mit beruhigender Stimme auf dein Kind einredest. Versuche deinen kleinen Schlafwandler vorsichtig wieder zurück in sein Zimmer zu begleiten und behutsam ins Bett zu bringen. Ein absolutes No-Go: schlafwandelnde Kinder erschrecken oder versuchen, sie zu wecken. Sie können verängstigt oder verwirrt reagieren und es ihm schwerfällt wieder einzuschlafen. Besorgte Eltern können dennoch mit dem Kinderarzt darüber sprechen, wie sie am besten mit dem Schlafwandeln umgehen.
Vorsichtsmaßnahmen
Auch wenn das gelegentliche Schlafwandeln bei Kindern aus medizinischer Sicht nicht als gefährlich gilt, Gefahr droht doch. Denn gerade die „schlafwandlerische Sicherheit“ ist leider nicht mehr als ein hartnäckiger Mythos.
Eltern können eine Menge tun, um ihr Kind auch dann zu schützen, wenn es schlaftrunken auf Erkundungstour durch Kinderzimmer, Haus oder Wohnung wandert. Dabei hilft zu wissen, dass es fast immer nur ein Ziel gibt: geradeaus! Und zwar über alle Hindernisse hinweg, was nicht selten zu kleineren oder größeren Unfällen führt. Einfache Stolperfallen sollten deshalb ebenso kritisch beleuchtet werden wie scharfkantige Gegenstände, die sich nicht nur auf dem Weg, sondern im wahrsten Sinne des Wortes „im Weg“ befinden und natürlich Türen, die unverschlossen direkt nach draußen führen sowie Fenster, die sich kinderleicht öffnen lassen.
Im Vorfeld:
- Vermeide Hochbetten bei schlafwandelnden Kindern
- Sorge dafür, dass alle Fenster, Wohnungs- und Balkontüren sicher verschlossen sind
- Sichere Treppenauf- oder Abgänge entsprechend
- Räume Stolperfallen aus dem Weg
- Runde scharfkantige Gegenstände, die im Weg stehen könnten, ab
- Bringe an der Kinderzimmertür ein Glöckchen oder ein Windspiel an, damit Du mitbekommst, wenn Dein Kind auf Wanderschaft geht
Während das Kind schlafwandelt:
- Wecke Dein Kind nicht auf und vermeide so, dass es sich erschreckt
- Nähere Dich ihm vorsichtig und behutsam
- Rede leise und beruhigend.
- Versuche Dein Kind so ruhig wie möglich wieder zurück ins Bett zu begleiten
Im Nachhinein:
- Erzähle Deinem Kind nicht, dass es schlafwandelt
- Vermeide unnötigen Stress und Druck
- Spreche mit dem Kinderarzt, wenn das Phänomen jede Nacht auftritt
- Weihe Bezugspersonen ein, damit das Kind trotzdem weiterhin bei Freunden oder Verwandten übernachten kann
- Sorge für die entsprechenden Hilfestellungen
Weitere Schlafstörungen bei Kindern
Obwohl die genauen Ursachen von Parasomnien (Schlafstörungen) nicht eindeutig geklärt sind, wird angenommen, dass ein gestörtes Verhältnis zwischen Schlaf-Wach-Rhythmus ein Auslöser sein kann. Bei Kindern geht man davon aus, dass dies auf eine verzögerte Hirnreifung zurückzuführen ist, die sich in der Regel mit zunehmendem Alter verbessert. Parasomnien lassen sich grob in zwei Kategorien einteilen:
- solche, die während des REM-Schlafs auftreten,
- und Störungen, die während des Nicht-REM-Schlafs auftreten.
Die häufigste Form der Parasomnie ist das Schlafwandeln, das während des Nicht-REM-Schlafs auftritt und eher bei Kindern zu beobachten ist. Andere Arten von Parasomnien sind der Nachtschreck, der durch intensive Angst gekennzeichnet ist und von Schreien oder Strampeln begleitet sein kann.
Schlafwandeln bei Kindern: Nach einer halben Stunde ist der Spuk meist wieder vorbei
Obwohl Schlafwandeln beunruhigend sein kann, ist es in der Regel kein Grund zur Sorge. Die meisten Kinder, die schlafwandeln, wachsen aus diesem Verhalten heraus. Es gibt ein paar Dinge, die Eltern tun können, um das Verletzungsrisiko während einer Schlafwandlerepisode zu minimieren. Obwohl Schlafwandeln für Eltern beunruhigend sein kann, ist es in der Regel harmlos und verschwindet ohne Behandlung. Wenn Kinder schlafwandeln, können Eltern einiges tun, um es zu schützen. Erstens sollten sie dafür sorgen, dass das Kind nicht in Gefahr gerät, indem sie potenzielle Gefahrenquellen aus dem Schlafzimmer entfernen und Türen abschließen, die in gefährliche Bereiche des Hauses führen könnten. Zweitens: Bringe dein Kind sanft zurück ins Bett, wenn sie während des Anfalls umherwandern. Und schließlich solltest Du dafür sorgen, dass Dein Kind ausreichend erholsamen Schlaf bekommt, damit die Wahrscheinlichkeit eines Anfalls geringer ist.
Wenn du dir Sorgen über das Schlafwandeln deines Kindes machst, solltest du unbedingt mit deinem Kinderarzt sprechen.
Foto © vovan Adobe Stock
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