„Nein, das ist meiner, du hast schon so viele Gummibärchen gehabt“, hört man Corinnas Stimme aus dem Wohnzimmer. „Das ist ja gar nicht wahr, immer ist du mir alles weg!“, antwortet ihr kleiner Bruder Florian. „Aber warte nur ab, von meiner Zuckertüte gebe ich dir nichts, gar nichts ab.“
Es ist immer dasselbe: Vor den beiden Naschkatzen Corinna und Florian sind keine Süßigkeiten sicher. Und wirklich jedes Mal streiten sie sich um den letzten Mausespeck – oder wie heute – um das letzte Gummibärchen.
Deshalb ist Florian richtig glücklich, dass er morgen in die Schule kommt und ihm die ganz allein gehört. Dumm daran ist nur, dass die gefüllte Schultüte schon seit heute Morgen in seinem Zimmer steht und er am liebsten die ganze Zeit über die vielen Leckereien probieren würde.
Aber Florian hat sich fest vorgenommen, diesmal nicht schon vorher zu naschen, wie er es einmal bei dem Adventskalender getan hat. Denn da hat ihn seine Mama erwischt. Sie hat zwar nicht geschimpft, aber sie war ganz schön enttäuscht von ihm.
Florian hat also bis jetzt tapfer durchgehalten und auch nur einmal in die Tüte gelinst. Nicht, um zu naschen, sondern nur, um zu sehen, worauf er sich morgen freuen kann. Auch wenn das nicht richtig ist, hat er schon ganz viele tolle und vor allem leckere Sachen entdeckt, so dass er es kaum erwarten kann, endlich in die Schule zu kommen.
Ganz oben in der Tüte liegt eine Tafel Kinderschokolade, und direkt darunter sind die leckeren Erdbeerbonbons. Und dann hat er auch noch die kleinen Weingummi-Tütchen gesehen – aber genascht hat er wirklich noch nicht. Und so wartet er ungeduldig auf den nächsten Morgen.
Vor allem freut er sich auf das Gesicht seiner Schwester, wenn er ihr die vielen tollen Süßigkeiten zeigt, die er alle alleine essen und von denen er ihr nichts abgeben wird. Das hat sie nun davon!
Nach dem Mittagessen werden Florian und Corinna von ihrer Mutter zum Einkaufen geschickt, denn natürlich müssen die beiden im Haushalt helfen. Und den beiden macht es auch richtig Spaß. Doch diesmal haben Corinna und Florian wirklich schwer zu tragen und obwohl sie wenige Stunden vorher zu Mittag gegessen haben, hat Florian schon wieder Hunger.
Eigentlich hat er keinen richtigen Hunger, aber eine Handvoll Gummibärchen könnte er schon vertragen. „Hm, und jetzt?“, fragt er sich und reibt sich dabei hungrig mit der Hand über seinen kleinen Bauch. „Ob ich vielleicht doch an die Zuckertüte …? Nein, das mache ich nicht“, nimmt er sich ganz fest vor und geht zur Ablenkung lieber zu seiner Schwester ins Zimmer.
Doch Corinna spielt vor dem großen Spiegel Prinzessin – und das ist Florian nun wirklich zu langweilig. So macht er auf dem Absatz kehrt und geht also doch in sein Zimmer, um mit seiner Eisenbahn* zu spielen. Doch kaum ist er in seinem Zimmer angekommen, fällt sein Blick auf die große, bunte Zuckertüte, in der so viele Leckereien sind. Obwohl er sich so fest vorgenommen hatte, nicht zu naschen, greifen seine hungrigen Finger nach dem gelben Band, das die spitze Tüte zusammenhält, und zupfen langsam daran.
Die Schleife löst sich, und Florians Augen beginnen zu leuchten. All das, was in der Tüte ist, gehört ihm ganz allein. Seine Finger greifen nach der Tafel Schokolade. „Aber nein“, hört er eine kleine Stimme in seinem linken Ohr, „das darfst du nicht!“. Und eine andere Stimme in seinem rechten Ohr ruft: „Nimm lieber eine der Weingummi-Tütchen, das fällt bestimmt nicht auf.“
Florian weiß gar nicht mehr, was er machen soll. Doch noch ehe er sich entscheiden kann, ist das erste Weingummi-Tütchen aufgerissen und die leckeren Bärchen verschwinden in seinem schmatzenden Mund. Und schon folgen das zweite Tütchen, das dritte und das vierte. Und plötzlich ist unserer kleinen Naschkatze ganz schlecht, nicht nur vom vielen Weingummi, sondern auch sein schlechtes Gewissen quält ihn. Er hat schon wieder vorher heimlich genascht, genau wie damals bei dem Adventskalender.
Reumütig packt er die restlichen Süßigkeiten wieder in die Zuckertüte und versucht, die Schleife genau so wieder zuzubinden, wie er es bei seiner Mutter gesehen hatte. „Was mach’ ich nur, was mach’ ich nur?“, überlegt Florian. „Was, wenn ich nach dem Abendessen wieder so einen kleinen, vorwitzigen Hunger bekomme?“
Und schon ruft die Mutter zum Abendessen. In der Küche sitzt Florian ganz still auf seinem Stuhl und stochert im Milchreis herum, den er sonst so gerne isst. „Du hast doch wohl nicht schon etwa aus Deiner Zuckertüte genascht?“, fragt ihn seine Mutter. „Nein, nein, bestimmt nicht“, antwortet Florian und schämt sich, weil er die Mama anlügt, obwohl er sie doch so lieb hat. „Ich habe nur keinen Hunger.“
Seine Mutter schaut ihn fragend und zweifelnd an. „Du hast mich schon einmal angeschwindelt, ich schaue mir die Zuckertüte besser einmal an“, sagt die Mutter und ist bereits aus der Küche verschwunden. Natürlich sieht Florians Mutter sofort, dass jemand an der Zuckertüte war, denn auch kleine Schwindeleien lassen sich nicht verheimlichen. „Da fehlen ja alle Weingummi-Tütchen“, sagt sie, als sie wieder in die Küche kommt.
Nervös rutscht Florian auf seinem Stuhl hin und her, aber er traut sich nicht, seiner Mutter die Wahrheit zu sagen. „Vielleicht gibt es ja so etwas wie Zuckertütenzwerge, die hungrig darauf warten, dass die i-Männchen endlich in die Schule kommen, damit sie aus den Schultüten stibitzen können“, flüstert er nicht sehr überzeugend. „Zuckertütenzwerge?“, überlegt die Mutter laut. „Na ja, vielleicht! Ich habe zwar noch nie von ihnen gehört, aber ich stelle die Zuckertüte wohl besser heute Nacht in den Flur. Denn wenn sich diese Zuckertütenzwerge in deinem Zimmer versteckt haben, weil Du ja das i-Männchen bist, plündern sie womöglich heute Nacht sonst noch die ganze Tüte.“ Florian ist erleichtert. Aber ob seine Mama wirklich an die Existenz von Zuckertütenzwergen glaubt?
Nachdem er seine Zähne geputzt, sich gewaschen und seinen Schlafanzug angezogen hat, ist für Florian Schlafenszeit, denn morgen muss er zum ersten Mal richtig früh aufstehen. Dann endlich ist so weit: Noch ehe seine Mama überhaupt daran denkt, ihn zu wecken, ist Florian schon wach, springt blitzschnell aus dem Bett, rast in den Korridor, schnappt sich die Zuckertüte und läuft damit in die Küche, wo seine Mutter schon das Frühstück macht. „Darf ich jetzt bitte, bitte, etwas aus meiner Zuckertüte haben?“, fragt er seine Mutter aufgeregt.
Seine Mutter lacht: „Jetzt ja!“ Doch was ist das? Die Erdbeerbonbons sind nicht mehr da und einzelne Riegel aus der Kinderschokolade fehlen ebenfalls. „Mama, Mama!“, heult Florian los. „Das waren bestimmt die Zuckertütenzwerge“, sagt sie Mutter traurig. „Aber die, die gibt es doch gar nicht! Es gibt keine Zuckertütenzwerge! Ganz bestimmt nicht!“, heult Florian weiter. „Aber gestern hast Du doch gesagt, dass die Zuckertütenzwerge Deine ganzen Weingummi-Tütchen gestohlen hätten“, fragt seine Mutter zweifelnd nach. „Nein, das stimmt nicht. Ich, ich war das. Ich hab’ sie selbst gegessen, aber, aber die Erdbeerbonbons und die Schokolade, das war ich nicht. Ganz bestimmt nicht.“, stottert Florian weinend und mit zum Boden gesenktem Blick.
„Stimmt, das war er nicht!“, hört Florian seine große Schwester Corinna, die an der Küchentür lehnt und sich noch genüsslich die restliche Schokolade von den Fingern schleckt. „Denn das war ich!“ „Du?“, fragt Florian beleidigt. „Ja, ich! Ich dachte, bevor die Zuckertütenzwerge deine ganzen Süßigkeiten aufessen, nasche ich lieber ein wenig mit“, erwidert Corinna und schaut ihren kleinen Bruder herausfordernd an.
Die Mutter fängt an zu lachen, denn sie weiß nicht, mit wem von den beiden sie nun eigentlich schimpfen soll. Doch sie muss mit keinem von beiden schimpfen, denn Florian verspricht ihr von ganz allein, nie wieder zu schwindeln. Und beide Kinder versprechen, in Zukunft alle ihre Süßigkeiten zu teilen.
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