Eine Journalistin hat sinngemäß einmal gesagt, dass Mobbing nichts anderes als eine Erziehungsfrage ist und dementsprechend auch nur durch Erziehung in den Griff bekommen zu bekommen ist. In letzter Konsequenz hat sie wahrscheinlich Recht. Denn Kinder, die von klein auf gelernt haben, dass jeder Mensch anders ist, seine eigene Stärken und Schwächen hat, die ihn so besonders und einzigartig machen, gehen in der Regel sehr respektvoll mit ihren Mitmenschen um.
Warum? Ganz einfach, weil ihnen dann umso bewusster ist, dass auch sie selbst nicht nur mit Stärken, sondern auch mit Schwächen ausgestattet sind, die es trotzdem liebenswert machen. Schwächen, die zu jedem Menschen dazugehören und von denen auch Ihr Kind nicht wollen würde, dass jemand permanent seine Unzulänglichkeiten in den Fokus zerrt und wieder und wieder auf ihnen herumhackt. Soweit zumindest die Theorie!
Warum mobbt mein Kind andere?
Trotzdem gibt es Situationen, in denen auch das noch so gut erzogene und tolerante Kind ein anderes mobbt oder bei dessen Mobbing mitmacht – mal mehr, mal weniger aktiv. Das ist mit Sicherheit keine Entschuldigung für ein solch verletzendes Verhalten, bei dem immer mehrere Kinder ein vermeintlich schwächeres Kind verspotten, beleidigen, bloßstellen oder sogar bedrohen. Dennoch ist es der Versuch einer Erklärung.
Denn Mobbing ist wie ein fahrender Zug, der urplötzlich ungeplant stoppt, was verständlicherweise für Irritation sorgt. Langeweile und Ohnmacht machen sich in den Abteilen breit. Je länger der Zug steht, desto mehr suchen die Fahrgäste nach einer Beschäftigung, mit der sie die Wartezeit überbrücken und sich von ihrem stetig ansteigenden Frustrationslevel ablenken können.
Die einen lesen, die anderen telefonieren, einige dösen. Und dann gibt es diejenigen, die etwas oder jemanden entdecken, an dem sie ihren Frust auslassen können: “Willkommen, liebes Mobbing-Opfer. Du machst diese Zugfahrt erträglich und stehst mir zur Verfügung, damit ich mich anhand Deiner Schwächen wieder stark und sicher fühlen kann.“ Selbst dann, wenn der Zug seine Fahrt wieder aufgenommen hat, hört das Mobbing nicht auf. Im Gegenteil: Es nimmt mehr Fahrt und an jeder Haltestelle mehr Fahrgäste auf.
Mobbing ist ein Prozess, der durch einen Einzelnen initiiert wird, sich dynamisch entwickelt und irgendwann verselbstständigt. Bei Kindern und Jugendlichen ist die Gruppenzugehörigkeit oftmals der erste, wesentliche Verstärker, durch den das Mobbing eines anderen Kindes überhaupt erst richtig in Fahrt kommt.
Wenn Sie also mitbekommen, dass Ihr Kind ein anderes mobbt oder bei dessen Mobbing aktiv mitmacht, müssen Sie handeln und den Zug stoppen, bevor er entgleisen kann.
- Schäfer, Mechthild (Autor)
Mein Kind mobbt: So reagieren Sie richtig
1. Verschaffen Sie sich einen Überblick über die Situation
Suchen Sie das Gespräch mit Ihrem Kind und versuchen Sie herauszufinden, warum es ein anderes Kind mobbt oder sich an dem Mobbing ihm gegenüber beteiligt. Wie lange laufen die Mobbing-Attacken schon? Was war der Anlass? Ist Ihr Kind der Initiator der Mobbings, der so seinen eigenen Frust abbaut? Oder macht Ihr Kind bei den Mobbing-Übergriffen “nur“ auf Grund einer Gruppenzugehörigkeit und aus Angst, sonst seine Freunde zu verlieren, mit?
2. Auslöser Frustabbau & Gegenmaßnahmen
Finden Sie in dem Gespräch mit Ihrem Kind heraus, dass es durch das Mobbing seinen eigenen Frust abbaut, braucht es vor allem drei Dinge:
- Ihre unbedingte Liebe
- Anerkennung für seine Stärken
- kontinuierliche Reduzierung des Drucks, unter dem es steht.
Reagieren Sie nicht mit Vorwürfen, sondern mit Verständnis
Ganz gleich, wie entsetzt Sie darüber sind, dass Ihr Kind ein anderes mobbt. Denn Fakt ist: Mobbing ist immer auch Ausdruck der eigenen Unzulänglichkeiten, von denen Ihr Kind ablenken möchte, indem es sich anderen gegebenüber stark und überlegen zeigt. Allein aus dem Grund, um sich selbst nicht mehr so klein, unbeachtet oder unzureichend zu fühlen.
Finden Sie heraus, wie Sie Ihrem Kind zu der Anerkennung verhelfen können, die es braucht.
Bei schlechten Schulnoten sollte Nachhilfe in Betracht gezogen werden, bei mangelnder Auslastung und mangelnden Erfolgserlebnissen könnte die Anmeldung in einem Sportverein oder zu einer Sportart sinnvoll sein, bei dem Ihr Kind sich auspowern und im fairen Wettbewerb mit anderen messen kann. Reicht das Taschengeld vorne und hinten nicht, was ebenfalls dazu führen kann, dass sich Ihr Kind insgeheim anderen gegenüber benachteiligt fühlt, überlegen Sie gemeinsam, wie es sich ein wenig Taschengeld dazu verdienen könnte. Fühlt sich ihr Kind hingegen insgesamt bedeutungslos, motivieren Sie es dazu, sich zu engagieren. Das können Besuche im Altenheim sein, unterstützende Tätigkeiten im Tierheim, Einkäufe für die alte Dame von nebenan etc. Es gibt viele Gründe, warum Kinder oder Teenager sich klein, unbeachtet oder unzureichend fühlen können. Wichtig ist, den Ursachen auf den Grund zu gehen und das Selbstbewusstsein Ihres Kindes wieder zu stärken, ohne dass es dafür auf den Schwächen von anderen herumtrampeln muss.
Ist das Mobben oder die Beteiligung am Mobbing das Ventil, durch das Ihr Kind Druck abbaut und im wahrsten Sinne des Wortes Dampf ablässt, müssen Sie den Sie den Stressfaktoren auf den Grund gehen.
Liegt es an der Schule, an den Erwartungen bzw. dem Verhalten eines spezifischen Lehrer oder an Streitereien auf dem Schulhof? In allen Fällen, die mit der Schule zu tun haben, sollten Sie auch dort ansetzen und ein Gespräch suchen. Fühlt sich Ihr Kind hingegen von Ihnen als Eltern unter Druck gesetzt, finden Sie gemeinsam eine Lösung, an welchen Stellen Sie den Druck herausnehmen können.
3. Auslöser Gruppenzugehörigkeit & Gegenmaßnahmen
Ist der Grund für die Teilnahme am Mobbing der Freundeskreis, in dem Ihr Kind sich bewegt, und dementsprechend die damit verbundene Gruppenzugehörigkeit, braucht es auch hier ein sehr feinfühliges Gespräch. Denn natürlich wird Ihr Kind Angst haben, seine Freunde zu verlieren, von ihnen ausgegrenzt oder selbst fortan zum Objekt des Spottes zu werden, wenn es beim Mobbing nicht mehr mitmacht.
Genau hier sollten Sie ansetzen, um Ihrem Kind zu verdeutlichen, wie schlimm Mobbing wirklich ist, auch wenn Ihr Kind das eigentlich weiß. Denn sonst würde es keine Angst davor haben, dass es ihm plötzlich genauso gehen könnte. Ermöglichen Sie Ihrem Kind dennoch, sich in das Mobbing-Opfer hineinzuversetzen und zu verstehen, wie es sich selbst in einer ähnlichen Situation fühlen würde. Welche Scham es spüren würde, welche Ängste es hätte, welche Bauchschmerzen es begleiten würden.
Ebenfalls zu diesem Gespräch gehört das Wesen einer Freundschaft. Machen Sie Ihrem Kind noch einmal eindringlich klar, dass keine Freundschaft darauf begründet sein sollte, dass man gemeinsam auf anderen und ihren Schwächen herumhacken kann. Im Gegenteil: Eine wirkliche Freundschaft muss auch aushalten können, dass man nicht immer einer Meinung ist und nicht immer alles mitmacht, was der andere vorschlägt. Alles andere ist leider auch keine richtige Freundschaft, sondern eher eine Zweckgemeinschaft.
4. Lassen Sie Ihr Kind Verantwortung für sein Handeln übernehmen
Mit dem Versprechen allein, das andere Kind nicht mehr zu mobben und sich aus solchen Attacken zukünftig herauszuhalten, sollte es nicht getan sein. Ihr Kind muss auch die Verantwortung für sein Handeln übernehmen können und sich dementsprechend entschuldigen. Nicht nur aus Respekt vor dem Opfer, sondern auch aus Respekt vor sich selbst. Erst, wenn es bereit ist, sich zu entschuldigen, können Sie sicher sein, dass es auch wirklich verstanden hat, wie ungerecht es sich verhalten hat. Welche Form der Entschuldigung für Ihr Kind besser geeignet ist – ob schriftlich oder mündlich – sollten Sie ebenfalls gemeinsam eruieren, die letztendliche Entscheidung aber Ihrem Kind überlassen.
5. Machen Sie Ihr Kind stark
Zu guter Letzt: Hinterfragen Sie sich und Ihre Erziehung. Haben Sie Ihrem Kind beigebracht, wie man mit Konflikten richtig umgeht? Haben Sie es darin bestärkt, seinen eigenen Idealen und Zielen zu folgen, auf sich selbst zu vertrauen und nicht nur zu machen, was andere von ihm verlangen? Haben Sie es darin bestärkt, auch mal NEIN zu sagen und sich anderen gegenüber durchzusetzen? Wenn nicht, sollten diese Punkte alsbald auf Ihrer Erziehungsagenda stehen, damit Ihr Kind ein gesundes Selbstbewusstsein entwickeln kann. Ein Selbstbewusstsein, das keinen Schwächeren braucht, um vor sich selbst und vor anderen zu bestehen.
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