Wir haben Hygienespüler für die Waschmaschine, Reinigungstabs mit 10-fach-Wirkung für den Geschirrspüler, Desinfektionsmittel in allen erdenklichen Ausführungen für alle erdenklichen Flächen und Böden. Nicht zu vergessen das feuchte Toilettenpapier, die Hygiene-Waschlotion und der Seifenspender, den wir nicht einmal mehr anfassen müssen, da er bereits auf die Annäherung unserer Hände reagiert. Wäre sonst ja auch zu ekelig. Wer weiß, wer den schon alles angefasst hat und welche Keime man sich da holen könnte – vor allem im eigenen Haushalt!
Sind wir vielleicht leicht bis mittelschwer hypochondrisch veranlagt oder gar hysterisch? Oder haben die ständigen Schlagzeilen um Keime & Co. einen Hygienewahn initiiert, dem sich niemand mehr entziehen kann? Oder ist es die Werbung, die uns so zusetzt und dafür sorgt, dass wir auch den neuesten Bakterienkiller direkt kaufen und anwenden müssen? Reicht es wirklich nicht, wenn es sauber ist? Muss alles bis auf den letzten Millimeter keimfrei sein?
Die Antwort ist sehr beruhigend: Nein, muss es nicht!
Denn Keimfreiheit hat ihren Sinn – vor allem aber ihren Platz!
Keime in der Küche
In der Küche sollten Keime nach Möglichkeit vermieden werden. Das gilt aber weniger für den Küchenfußboden, der entsprechend nicht eigens oder sogar mehrmals täglich mit desinfizierenden Mitteln bearbeitet werden muss, sondern vielmehr für die Hygiene, mit der Sie sich den Lebensmitteln dort zuwenden. Deshalb lautet die erste Regel, um schädlichen Keimen vorzubeugen: Hände waschen – sowohl vor der Essenzubereitung als auch vor dem Essen selbst.
Die zweite Regel, die in der Praxis allerdings weitaus weniger häufig angewendet wird, ist die, dass Fleisch, Fisch und Geflügel nicht auf ein und demselben Schneidebrett verarbeitet werden sollten. Für jede Sorte ein eigenes zu haben, wäre die weitaus hygienischere Variante.
Regel Nummer drei: Schneidebretter, Messer, Gabeln etc., die zur Verarbeitung von Fleisch, Fisch, Geflügel oder rohen Eiern verwendet wurden, sollten direkt nach ihrer Benutzung heiß abgewaschen oder besser noch geschrubbt werden. Oder aber sie sollten ihren direkten Weg in die Spülmaschine finden. Natürlich nicht, um dort noch über Stunden darauf zu warten, dass der Spülvorgang auch gestartet wird.
Auch verwendete Lappen oder Schwämme sollten heiß ausgewaschen und dann so aufgehängt oder arrangiert werden, dass sie gut und schnell wieder trocknen können. Gleiches gilt für Trockentücher.
Und nicht vergessen: Auch Spültücher, Schwämme oder Aufnehmer wollen regelmäßig gewechselt werden, sofern sie keinen heißen Waschgang in der Waschmaschine vertragen. Dieser heiße Waschgang wäre in Anbetracht der Mengen an Keimen, die sich hier so tummeln – halten Sie sich fest, denn wir reden von einer Milliarde Keimen – ja, Sie haben richtig gelesen – eine Milliarde Keime auf zehn Quadratzentimeter Spüllappen – alle zwei bis drei Tage bei 60° Grad erforderlich.
Keime im Kühlschrank
In Bezug auf gefährliche Keime sollte vor allem auch dem Kühlschrank besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden – auch wenn dieser in den meisten Fällen oft sträflich vernachlässigt wird. Das jedoch kann fatal sein, denn gerade im Kühlschrank – in dem Lebensmittel aller Art und jeder erdenklichen Herkunft gelagert werden – stapeln sich die Keime ebenfalls wie Kinder an einem heißen Sommertag im Freibad. An manchen Kühlschränken wäre deshalb mit Sicherheit ein Schild angebracht, das eindeutig signalisiert: “Wegen Keimüberfüllung bleibt diese Einrichtung vorübergehend leider erst einmal geschlossen!“
Das allerdings bleibt der Kühlschrank natürlich nicht. Dabei wäre es jetzt höchste Zeit für eine Grundreinigung, da sich im Kühlschrank auf nur zehn Quadratzentimetern rund 1130000 Keime tummeln und ihr Unwesen treiben. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: über eine Million Keime auf 10 Quadratzentimetern Kühlschrankfläche. Zugegeben, das ist kein Vergleich zu der Zahl der Keime auf dem Spüllappen, aber ekelig bleibt es deshalb trotzdem.
Genau aus diesem Grund sollten Sie Ihrem Kühlschrank zukünftig mehr Aufmerksamkeit schenken und diesen mindestens einmal im Monat – gerne natürlich auch öfter – grundreinigen.
Keime im Bad
Auch im Bad sind Keime eher unerwünscht, was aber auch hier weniger für den Boden, die Wände, das Waschbecken oder gar die Toilette gilt, sondern vor allem für ihre Badezimmer-Benutzer. Denn auch hier lautet die oberste Regel: Nach dem Gang zur Toilette das Händewaschen bitte nicht vergessen.
Wer jetzt denkt: Perfekt, denn gerade deshalb habe ich in meinem Bad auch eine Hygiene-Waschlotion, der ist dem Hygiene-Wahn leider schon ein wenig verfallen. Denn die Hygiene-Waschlotion tötet zwar unerwünschte Keime, wirkt aber gleichzeitig auch negativ auf die gesamte Hautflora. Denn noch sind Hygiene-Waschlotionen leider nicht in der Lage zu unterscheiden, welche Bakterien nun unerwünscht sind und eliminiert werden müssen oder welche eine wichtige Aufgabe für die natürliche Hautbarriere und deren Schutzfunktion übernehmen. Hautreizungen und/ oder Allergien sind deshalb oftmals die Folge.
Darum gilt: Wer einen normalen Haushalt führt, kann getrost auf antibakterielle Seifen und Lotionen verzichten. Es reicht, wenn die Hände mit normaler Seife oder einer normalen Lotion, aber eben gründlich gewaschen werden.
Hände waschen: So geht es richtig
Wer seine Hände richtig wäscht, erzeugt eine mechanische Reibung. Diese und die Tenside der benutzten Seife eliminieren schädliche Bakterien oder reduzieren zumindest ihre Anzahl. Dafür allerdings sollte man wissen, wie die Hände eigentlich richtig gewaschen werden. Einmal kurz Seife drauf, wisch wasch und dann ab unter den Wasserstrahl reicht natürlich nicht aus.
Beim richtigen Händewaschen wollen sowohl die Handflächen als auch der Daumen und insbesondere die Zwischenräume zwischen den Fingern gründlich eingeseift werden. Dann erst beginnen der eigentliche Reibungsprozess und das Aufschäumen der Tenside, was mindestens zwanzig Sekunden lang dauern sollte. Erst nach Ablauf dieser zwanzig Sekunden werden die Seifenreste wieder gründlich abgewaschen und Hände, Finger und Fingerzwischenräume anschließend gut abgetrocknet.
Auch hier gilt: Verwendete Handtücher sollten gut und schnell wieder trocknen können und natürlich auch regelmäßig gewechselt werden.
Keime in der Waschmaschine
Natürlich können sich auch in der Waschmaschine Keime sammeln. Insbesondere, wenn Wäsche falsch gewaschen wird oder wenn sie noch über Stunden nach dem Waschgang in der feuchten Trommel liegt, bevor sie endlich entnommen und zum Trocknen aufgehängt wird.
Das jedoch hat nichts mit der Waschleistung Ihrer Waschmaschine zu tun, sondern nur mit der Bedienung und Handhabung durch Sie selbst. Deshalb hier noch einmal zusammengefasst: Unterwäsche, Bettwäsche, Handtücher, Trockentücher, Waschlappen und Putzlappen sind definitiv Keimträger, weshalb sie auch bei mind. 60° Grad gewaschen werden sollten. Doch selbst dann bedarf es außer eines Vollwaschmittels keiner weiteren desinfizierenden Zusätze, da beim 60° Grad-Waschgang selbst die hochinfektiösen Noro-Viren vollständig eliminiert werden.
Dann doch lieber das Geld sparen und stattdessen in einen Waschmaschinen-Reiniger investieren, mit dem die gesamte Maschine wenigstens 1x im Monat gründlich durchgespült und sowohl von innen als auch von außen gereinigt wird. Was will man mehr?
Ansonsten gilt: Sauber reicht!
Bei allem anderen reicht es, wenn es sauber ist und mit einem normalen Standardmittel gereinigt wurde. Denn selbst diese verfügen über eine antibakterielle Wirkung, die sich durch die Reibung beim Putzen oder Wischen noch erhöht.
Davon abgesehen ist eine saubere Wohnung auch wesentlich gesünder als eine keimfreie, da sie die natürliche Abwehr stärkt und so zu einem stabilen Immunsystem verhilft. Das gilt vor allem für kleine Kinder. Denn ihr Immunsystem muss sich erst einmal richtig entwickeln und verschiedene Bakterien kennenlernen, um Antikörper entwickeln zu können.
Zu guter Letzt und für alle Zweifler: Eine amerikanische Langzeitstudie hat überdies herausgefunden, dass es völlig egal ist, ob man seine Wohnung nur sauber oder in Perfektion keimfrei hält: Die Erkältung schlägt trotzdem zu – und zwar in beiden Haushalten, so wie es ihr beliebt. Entgegen der allgemeinen Erwartung haben desinfizierte Haushalte gegen Erkältungen und Grippeviren keine besseren Chancen als Haushalte, in denen es einfach nur sauber, aber lange noch nicht keimfrei ist.
Also: Entspannen wir uns, schwören der Hysterie ab und sparen künftig nicht nur Geld, sondern auch jede Menge Zeit. Denn: Sauber reicht in den meisten Fällen absolut aus.
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