Beim vanishing twin syndrome gehen ein oder mehrere Embryonen einer Zwillings- oder Mehrlingsschwangerschaft ohne die typischen Symptome einer Fehlgeburt verloren. Die Zwillinge verschwinden (vanishing) scheinbar im mütterlichen Körper.
Erstmals diagnostiziert wurde das syndrome 1945 von Walter Stoeckel. Ursprünglich stellten Ärzte das Verschwinden eines Zwillings durch die Untersuchung der Plazenta nach der Geburt des überlebenden Kindes fest. Heute entdecken sie es bereits im frühen Stadium der Schwangerschaft mithilfe von Ultraschallgeräten.
Was bedeutet „vanishing twin“?
Es bedeutet, dass eine Schwangerschaft zwar als Zwillings- oder Mehrlingsschwangerschaft begonnen hat, aber nicht als solche endet. Die Zahl der empfangenen Embryos unterscheidet sich von der Zahl der geborenen Kinder.
Während der ersten Schwangerschaftswochen stirbt einer der Zwillinge, aber anstelle eines Abgangs mit Blutungen wird er vom mütterlichen Körper absorbiert, das heißt, sie nimmt ihn in sich auf. Manchmal wird der tote Zwilling auch durch den anderen Embryo in der Gebärmutter hauchdünn zusammenpresst. Er wird dann als fetus papyraceus bezeichnet und ist quasi unsichtbar. Der tote Embryo ist auf dem Ultraschallbild verschwunden.
Vanishing Twin Syndrome: Wie kommt es zu diesem Phänomen?
Da das Syndrom noch nicht lange im Fokus der Forschung steht, sind seine Ursachen bisher weitgehend unbekannt. Es wird vermutet, dass wie bei anderen Schwangerschaftsabgängen Entwicklungs- und Chromosomenstörungen des Embryos eine Rolle spielen. Auch genetische Faktoren oder Abnormalitäten der Plazenta könnten damit in Verbindung stehen. Beobachtet wurde zudem ein Zusammenhang mit dem Alter der Mutter (über 30) ebenso wie mit den Methoden künstlicher Befruchtung.
Bis wann spricht man von verlorenen Zwillingen?
Gehen ein Fötus oder mehrere Feten innerhalb des ersten Trimesters der Schwangerschaft verloren, spricht man vom vanishing twin. Auch im zweiten Trimester kann es sich um vanishing handeln, doch hier beginnt eine Grauzone. Stirbt ein Fötus nach der 24. ssw, gilt das Geschehen als Fehlgeburt. Ab diesem Alter kann er nicht mehr vom Mutterleib absorbiert oder als fetus papyraceus mumifiziert werden. Es bleibt nur seine operative Entfernung, um das Leben des anderen Fetus nicht zu gefährden.
Wie häufig kommt das vanishing twin syndrome vor?
Neuesten Erkenntnissen zufolge betrifft dieses Syndrom 36 % der Zwillingsschwangerschaften innerhalb der ersten 12 Schwangerschaftswochen. Das Risiko steigt bei einer Mehrlingsschwangerschaft mit drei oder mehr Fruchtblasen. Hier besteht eine Wahrscheinlichkeit von 50 %, dass einer der Zwillinge verschwindet. Im Falle künstlicher Befruchtungen tritt das twin syndrome bei 20-30 % der Schwangerschaften auf. Künstliche Befruchtung führt häufiger zu Zwillings- und Mehrlingsschwangerschaften, weil pro Anwendung mehr als ein Embryo in den Uterus eingepflanzt wird.
Es ist davon auszugehen, dass einige der verlorenen Zwillinge unentdeckt bleiben, zum Beispiel, wenn es in einem sehr frühen Stadium der Schwangerschaft geschieht. Die Dunkelziffer kann daher höher sein. Mittlerweile ist es jedoch möglich, noch im Erwachsenenalter festzustellen, ob man gegebenenfalls ein alleingeborener Zwilling ist, dessen Geschwister in der Gebärmutter verschwunden ist.
Bemerkenswerte Studie: Bin ich ein eineiiger Zwilling?
Eineiige Zwillinge teilen bestimmte Gen-Marker, eine Art Signatur. Es handelt sich dabei um ein leicht zu erkennendes Gen bzw. einen gut zu identifizierenden DNA-Abschnitt. Anders als zweieiige Zwillinge entwickeln sich eineiige Zwillinge aus ein- und derselben Eizelle. Aus diesem Grund findet sich bei ihnen (und nur bei ihnen) derselbe Gen-Marker. Dieser könnte dazu genutzt werden zu bestimmen, ob Schwangerschaften als Zwillingsschwangerschaften begonnen haben. Oder anders: Der Gen-Marker könnte zeigen, ob du eventuell ein eineiiger Zwilling bist und dein Geschwister durch das vanishing twin syndrome verloren hast.
Wie wird das Verschwinden eines Zwillings üblicherweise festgestellt?
Früher wurde das Verschwinden eines Zwillings durch die Untersuchung der Plazenta nach der Geburt festgestellt. Heute wird es mithilfe von Ultraschalluntersuchungen bereits im frühen Stadium der Schwangerschaft entdeckt.
Findet der Ultraschall in den ersten 7 Wochen der Schwangerschaft statt, ist es möglich, dass deine Ärztin zwei Fruchtblasen, auch Fruchtsäcke genannt, in der Gebärmutter sieht. Nicht immer ist zu diesem Zeitpunkt bereits ein Embryo erkennbar. Spätestens bei der nächsten Untersuchung zeigt sich, ob sich in beiden Fruchtsäcken ein Embryo befindet und ihre Einnistung gelungen ist. Bleibt einer der beiden Fruchtsäcke leer, kann es sich um einen vanishing twin handeln.
Selbst wenn beim ersten Ultraschall bereits zwei eingenistete Embryonen sichtbar waren, kann es sein, dass bei der nächsten Untersuchung nur ein Herzschlag zu hören ist. In diesem Fall ist einer der beiden Zwillinge verstorben. Je nachdem, wann die zweite Ultraschalluntersuchung stattfindet, könnte auch die Fruchtblase verschwunden sein, nämlich genau dann, wenn der verlorene Zwilling zu einem fetus papyraceus komprimiert wurde und sich bereits zusammengefaltet an der Membran der Gebärmutter befindet. Dadurch wird er unsichtbar und ist „verschwunden“.
Möglich ist, dass die betroffene Mutter während des Abgangs einer der Embryonen Schmierblutungen hat. Oftmals bleibt das Syndrom für sie jedoch unbemerkt und wird erst beim Ultraschall festgestellt. Ein weiterer Hinweis auf das vanishing twin syndrome sind hCG-Werte, die niedriger sind als zum Zeitpunkt der Untersuchung der Zwillingsschwangerschaft zu erwarten ist.
Welche Risiken bestehen für den alleingeborenen Zwilling und die werdende Mutter?
Verschwindet einer der Föten im ersten Trimester der Schwangerschaft, geht man davon aus, dass keine Risiken für den weiterlebenden Fötus und die Schwangere zu erwarten sind. Der Embryo wird vom mütterlichen Körper absorbiert oder an der Membran der Gebärmutter zusammengefaltet und stellt dadurch keine Bedrohung dar.
Verschwindet der Zwilling im zweiten Trimester, könnte ein erhöhtes Risiko für einen gestörten Geburtsverlauf bestehen. Eindeutige Forschungsergebnisse liegen bislang nicht vor. Es besteht aber die Vermutung, dass das Syndrom mit einem geringen Geburtsgewicht des überlebenden Fötus einhergeht sowie mit einem niedrigen APGAR-Wert.
Vanishing Twin oder Fehlgeburt?
Stirbt der Fötus nach der 24. ssw, handelt es sich um eine Fehlgeburt. Das ungeborene Kind ist zu groß, um vom Mutterleib aufgenommen oder hauchdünn an die Wand der Gebärmutter gedrückt zu werden. Eine OP ist nötig, um das Leben des anderen Kindes und das der Mutter nicht zu gefährden.
Der Verlust eines Zwillings: Wechselbad der Gefühle
Der Verlust eines Babys kann viele verschiedene Gefühle bei den Betroffenen hervorrufen. Trauer über den verstorbenen Zwilling und Irritation darüber, was aus dem toten Embryo geworden ist. Trotz des Verlustes besteht sicherlich auch Freude auf das zweite Ungeborene und ein Glücksgefühl, dass es ihm gut geht. Vielleicht hast du auch Schuldgefühle, mit Zwillingen schwanger gewesen zu sein, aber nicht beide Kinder zur Welt zu bringen? Oder du machst dir Gedanken, welche seelischen Auswirkungen auf dein alleingeborener Zwilling zukommen könnten?
Über die Ursachen des vanishing twin syndromes können bisher zwar nur Vermutungen angestellt werden. Doch es liegt nahe, dass wie bei einem üblichen Abgang Entwicklungs- und Chromosomenstörungen des Embryos dabei eine wichtige Rolle spielen. Es handelt sich um einen natürlichen Abgang, den du nicht beeinflussen kannst.
In 36 % der Fälle einer natürlichen Empfängnis von zwei oder mehr Embryonen tritt während der Schwangerschaft das vanishing twin syndrome auf. Anders als bei einer Fehlgeburt, verschwindet der Fötus scheinbar, ohne dass du es in dem Moment bemerkst. Aus deiner Zwillingsschwangerschaft geht ein Alleingeborener hervor. Genetisch bleibt dein Baby jedoch ein Zwilling.
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Quellen:
https://www.verywellfamily.com/vanishing-twin-syndrome-loss-of-baby-in-multiple-pregnancy-2371497