Von der Gefahr einer Zytomegalie-Entzündung werden viele noch niemals in ihrem Leben etwas gehört haben. Nicht weiter schlimm, da Zytomegalie eigentlich harmlos ist. Zumindest dann, wenn es sich bei der Erkrankten weder um eine werdende noch um eine frisch gebackene Mutter handelt. Ansonsten kann für jedes Ungeborene im Mutterleib als auch für jedes Neugeborene eine durch die Mutter übertragende Infektion nicht nur gesundheitsgefährdend, sondern auch lebensbedrohlich sein.
Zytomegalie: Was ist das?
Bei der Zytomegalie, die auch Einschlusskörperchenkrankheit genannt wird, handelt es sich um eine eigentlich harmlose Herpes-Infektion, die in Deutschland ungefähr die Hälfte aller Erwachsenen bereits durchlebt hat. Und das zumeist unbemerkt oder als leichte Grippe getarnt bzw. interpretiert. Denn die Infektion läuft in 99% aller Fälle komplett ohne oder aber mit nur sehr geringen Krankheitssymptomen ab. Kein Wunder also, dass kaum jemand weiß, ob er schon einmal eine Zytomegalie-Entzündung hatte oder nicht.
Einmal infiziert, trägt man das Virus danach lebenslang in sich, was in den meisten Fällen jedoch ebenso folgenlos bleibt. Immun vor einer erneuten Ansteckung ist man danach jedoch nicht. Gar nicht mehr harm- oder folgenlos ist die Zytomegalie allerdings, wenn sich eine Schwangere mit dem Cytomegalie-Virus (kurz: CMV) infiziert. Denn dann besteht für ihr Ungeborenes nicht nur eine gesundheitliche, sondern auch eine lebensbedrohliche Gefahr. Insbesondere dann, wenn die werdende Mutter erstmalig mit dem Erreger, der 90 nm groß ist und DNA enthält, in Berührung kommt.
Die dramatischen Folgen für Ungeborene und Neugeborene
Infiziert sich die Mutter innerhalb des ersten oder zweiten Drittels der Schwangerschaft erstmalig mit dem Zytomegalie-Virus, ist das Kind im Mutterleib in seiner gesundheitlichen Entwicklung stark gefährdet. Das kindliche Immunsystem ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht ausreichend entwickelt , um mit dem Erreger fertig zu werden. Aborte, Fehl- und Missbildungen sind die häufigsten Folgen. Zu den Fehlbildungen zählen insbesondere Störungen im Herz-Kreislauf-System oder im Magen-Darm-Trakt, sowie Missbildungen am Skelett und/ oder den Muskeln.
Ebenfalls häufig sind Blutgerinnungsstörungen, Blutplättchen-Mangel und Einblutungen in Haut und Organe. Schädigungen am Gehirn, die am häufigsten auftreten, beeinflussen natürlich die gesamte Entwicklung des Kindes. Angefangen bei Hör- und Sehstörungen über Wachstumsverminderung bis hin zu schweren geistigen Behinderungen. In ca. 30% dieser Fälle überleben die Kleinen die Infektion nicht. Im letzten Schwangerschaftsdrittel hingegen ist eine Übertragung auf das Ungeborene weitaus weniger gefährlich, da zu diesem Zeitpunkt das Immunsystem des Babys schon wesentlich ausgereifter und vor allem stärker ist, um mit dem Erreger besser fertig zu werden.
Zytomegalie: Eine Erkrankung, so harmlos wie gefährlich
Als Folge der Infektion mit dem Zytomegalie-Virus sterben in Deutschland jährlich etwa 60 Kinder. Mehr als 1.000 weitere Kinder überleben die Infektion im Mutterleib zwar, aber kommen mit einer oder mehreren der bereits beschriebenen Behinderungen zur Welt. Deshalb gilt eine Infektion mit Zytomegalie für jede Schwangere, oder besser gesagt für ihr werdendes Kind, als ebenso gefährlich wie eine Infektion mit Röteln oder Toxoplasmose. Zytomegalie ist, auch wenn bei vielen Schwangeren unbekannt, eine der häufigsten Infektionen, die werdende Mütter während der Schwangerschaft auf ihre Kinder übertragen können. Gleiches gilt für Neugeborene. Denn auch die Muttermilch einer infizierten Mutter transportiert den Erreger in den kindlichen Körper. Nicht ohne Grund ist die Erkrankung an Zytomegalie während der Schwangerschaft meldepflichtig.
Zytomegalie – Eine Erkrankung, so harmlos wie unheilbar
Da Zytomegalie noch nicht behandelbar ist, werden Schwangere oftmals auf die mögliche Gefahr nicht hingewiesen. Insbesondere auch deshalb, weil eine Infektion der Mutter während oder kurz nach der Schwangerschaft eher selten ist. Im Vergleich zur Häufigkeit aller Infektionen, die eine Mutter auf ihr Kind im Mutterleib übertragen kann, ist das dennoch kein Widerspruch. Die Zahl der Mütter, die sich in oder kurz nach der Schwangerschaft mit dem Virus infizieren, liegt jährlich bei 0,3 bis 2 Prozent aller Schwangerschaften in Deutschland. Für die Betroffenen gibt es bisher noch kein Heilmittel – weder für die Mutter noch für das Kind.
Auch die Übertragung der Viren von der Mutter auf das Kind in ihrem Bauch lässt sich nicht verhindern. Und genauso wenig gibt es derzeit eine vorbeugende Impfung. Jede werdende Mutter oder jede Frau, die Mutter werden möchte, sollte schon vor oder spätestens zu Beginn ihrer Schwangerschaft einen Bluttest auf CMV-Antikörper machen lassen, um nachzuweisen, ob sie das Virus in sich trägt und nicht erstmalig damit in Berührung kommen kann. Zwar kann sie sich auch dann noch jederzeit wieder anstecken, aber in der Regel ist eine Zweitinfektion der Mutter für das Baby im Mutterleib nicht oder zumindest weitaus weniger gefährlich. Denn in nur 2% aller Fälle überträgt sich der Erreger bei einer Zweitinfektion ebenfalls auf das noch ungeborene Kind und nimmt in noch weniger Fällen negativen Einfluss auf seine geistige und körperliche Entwicklung.
Frauen, die nach dem so genannten CMV-IgG-Test wissen, dass sie das Virus nicht in sich tragen, sind dann zwar weiterhin gefährdet, können sich und ihr Baby aber so gewissenhaft wie möglich vor einer Erstinfektion schützen und sollten diesen Bluttest auch regelmäßig während der Schwangerschaft wiederholen lassen. Dieser wird allerdings oftmals von den Gynäkologen nicht freiwillig angeboten. Zum einen, weil er nicht zu den Vorsorge-Untersuchungen gehört, zum anderen, weil die Kosten dafür von den gesetzlichen Krankenkassen nicht übernommen werden. Schlussendlich aber auch, weil die medizinischen Möglichkeiten derzeit begrenzt sind und noch keine vollständig wirksamen Therapiemethoden existieren. Auf freiwilliger Basis kostet ein solcher CMV-IgG-Test ca. 35 Euro.
Die Symptome einer Zytomegalie-Infektion
Sofern sich bei der Zytomegalie-Infektion überhaupt Symptome zeigen, werden diese häufig mit denen einer leichten Grippe verwechselt. So beispielsweise leichtes Fieber, Müdigkeit, Kopf-, Hals- und/ oder Gliederschmerzen, geschwollene Lymphknoten und manchmal auch eine vergrößerte Leber. Letztere wiederum kann allerdings nur ärztlich attestiert werden. Der Übertragungsmechanismus ist vielfältig. So kann das CMV über Speichel, Blut, Sperma, Urin, Zervixschleim, Tröpfen- und Schmierinfektionen weitergegeben werden. Auch Blutübertragungen oder der Transfer von Blutprodukten kann sowohl eine Schwangere als auch ein Neugeborenes mit dem Virus infizieren.
Maßnahmen, um eine Ansteckung während der Schwangerschaft zu vermeiden
Da eine Zytomegalie-Infektion in den meisten Fällen jedoch fast unbemerkt verläuft, ist es natürlich gleichermaßen schwierig, Erkrankte zu identifizieren und diese dementsprechend als werdende oder stillende Mutter zu meiden. Insbesondere, da die Inkubationszeit von der Ansteckung mit dem Virus bis zum Auftreten von ersten Krankheitssymptomen – sofern sich überhaupt welche zeigen – nicht genau angegeben werden kann. Mediziner schätzen die Inkubationszeit auf einen Zeitrahmen von zwei bis sechs Wochen.
Viele Experten raten deshalb, sich insbesondere von Kindern unter drei Jahren fernzuhalten, da sich die meisten gerade in den ersten zwei Lebensjahren infizieren. Kindergärtnerinnen, Kita-Mitarbeiterinnen und Co. sind also besonders gefährdet. Ebenfalls kann eine Gefahr vom Vater des Kindes bzw. dem Lebenspartner ausgehen. Denn ist er mit dem Virus infiziert bzw. aktuell an diesem erkrankt, kann auch er die werdende Mutter damit anstecken – beispielsweise beim Küssen oder beim Geschlechtsverkehr. Lässt sich der Kontakt mit Erkrankten nicht vermeiden, sollten Schwangere oder stillende Mütter in jedem Fall einen Mundschutz tragen und regelmäßig ihre Hände waschen, besser noch: desinfizieren.
Was, wenn sich die Schwangere erstmalig mit Zytomegalie infiziert hat?
Da die Infektion einer werdenden Mutter nicht immer zu verhindern ist, laufen die Studienprogramme auf Hochtouren. So beispielsweise am Universitätsklinikum in München, welches die Wirksamkeit von Hyperimmunglobulin, also hoch angereicherten polyklonalen Antikörpern als Therapiemaßnahme untersucht. Da die Ergebnisse noch offen sind, bleibt oftmals nicht mehr als der Versuch, das Virus einzugrenzen und eine Durchbrechung der Plazentaschranke, also eine Übertragung auf das Baby im Mutterleib zu verhindern.
Ob dies gelingt, zeigen regelmäßige Fruchtwasseruntersuchungen und natürlich der Ultraschall. Hier weisen Kalkablagerungen im Gehirn oder Ergüsse im Herzen des Ungeborenen auf die Infektion mit dem Erreger hin. Deshalb kann in diesen Fällen auch ein Schwangerschaftsabbruch mit medizinischer Indikation in Erwägung gezogen werden. Allerdings erfolgt dieser vergleichsweise spät, in den meisten Fällen erst um die 20. Schwangerschaftswoche herum. In einigen Fällen sogar noch später.
Auch wenn Zytomegalie-Infektionen oftmals mit einem Schwangerschaftsabbruch, einer Fehl- oder Totgeburt einhergehen, kann die Erkrankung für Mutter und Kind auch anders verlaufen. Denn nur in 40% der Fälle gelingt es dem Erreger, bis in den Mutterleib vorzudringen. Dabei spielt das intakte Immunsystem der Mutter eine bedeutende Rolle. Und auch, wenn es dem Virus gelungen ist, die Plazentaschranke zu durchbrechen, zeigen sich in 90% aller Fälle beim Baby keine Krankheitsanzeichen. Spätfolgen allerdings sind leider nicht immer auszuschließen. Ein genauerer Blick auf die Statistik zeigt: 90% aller infizierten Babys zeigen während der Schwangerschaft und auch nach der Geburt keinerlei Anzeichen einer Erkrankung. Nur bei 8 bis 12% von ihnen kommt es in ihrer Entwicklung später zu Störungen. Das können Entwicklungsstörungen sein, aber auch der vollständige Verlust ihres Hörvermögens.
Der Geburtskanal und die Muttermilch – Weitere Gefahren für das Baby
Konnte der Erreger die Plazentaschranke nicht durchdringen, bekommt er leider beim Geburtsvorgang noch einmal die Chance, gnadenlos zuzuschlagen. Denn nun muss das Baby durch den infizierten Geburtskanal. Hier kann es sich genauso mit dem Virus infizieren wie ein Neugeborenes durch die Muttermilch, sofern nicht bekannt ist, dass die stolze Neu-Mama an Zytomegalie erkrankt ist. Erschwerend kommt hinzu, dass auch bei gesunden Neugeborenen erst einmal keine Krankheitssymptome auftauchen. Erst nach einigen Wochen, manchmal sogar Monaten werden erste Symptome sichtbar, die auf die Spätfolgen aufmerksam machen.
Auch hier oftmals in Bezug auf die geistige und körperliche Entwicklung, die Schädigung von Milz und Leber, sowie weiteren gesundheitlichen Einschränkungen. Wie stillende Mütter in einem solchen Fall verfahren können, sollte auf jeden Fall mit dem behandelnden Arzt besprochen werden. Denn hier gibt es verschiedene Möglichkeiten. Angefangen vom Gefrieren der Muttermilch, über das Erhitzen der Muttermilch bis hin zu einer Methode, bei der die Muttermilch zuerst erhitzt und dann wieder abgekühlt wird, um einerseits den Erreger sicher zu eliminieren und andererseits die Nährstoffe der Muttermilch, die sie für jedes Baby so unersetzlich macht, zu erhalten.
Einstweilen bleibt nur die Hoffnung auf die Studien, den medizinischen Fortschritt und natürlich darauf, dass jede werdende Mutter oder Frau, die Mutter werden möchte, ihren behandelnden Gynäkologen auf einen Klarheit bringenden Bluttest drängt.
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