Einschlafstillen – ein Grundbedürfnis aus evolutionsbiologischer Sicht
Wenn wir das abendliche Einschlafstillen aus evolutionsbiologischer Sicht betrachten, handelt es sich hierbei um einen völlig natürlichen Vorgang. Babys haben ein ganz selbstverständliches Bedürfnis, nachts nahe bei ihren Eltern zu sein. Das geht auf unsere Vorfahren zurück: Kinder wären im Schlaf erfroren, verhungert oder von wilden Tieren gefressen worden, wenn ihre Eltern sich längere Zeit entfernt hätten. Noch heute suchen Babys ganz instinktiv Nähe zu einem Menschen, der sie trägt, sich um sie kümmert und ihnen Nahrung gibt.
Wenn Babys an der Brust trinken, stillt das nicht nur den Hunger. Es gibt ihnen das Gefühl, beschützt zu werden, entspannt und tut einfach gut. Schläft das Kind nachts bei den Eltern im Bett und darf immer, wenn es das Bedürfnis hat, an der Brust trinken, bekommt es ein enormes Fundament an Urvertrauen. Dein Kind spürt, dass Du seine Bedürfnisse wahrnimmst und immer für es da bist. Das wiederum stärkt die Mutter-Kind-Bindung, die durch nächtliches und Einschlafstillen mit der Zeit immer tiefer wird. Das Urvertrauen ist von großer Bedeutung, damit sich ein Kind später gut lösen kann – von Deiner Brust, aus Deinen Armen und irgendwann auch von Deiner Hand. Menschen, die in ihrer Kindheit eine solide Basis an Urvertrauen mitbekommen haben, werden später selbstbewusst, gesund und fröhlich ihre eigenen Wege gehen.
Verwöhne ich mein Baby mit Einschlafstillen?
Aus evolutionsbiologischer Sicht ist Einschlafstillen also ein ganz grundlegendes Bedürfnis. Dennoch haben viele Eltern Angst, ihr Kind zu verwöhnen, wenn sie diesem Bedürfnis nachgeben. Die Furcht davor, ein Kind durch zu viel Nähe zu verziehen, sodass es den Eltern später „auf der Nase herumtanzt“, wird uns oft von unseren Eltern und Großeltern übermittelt. Sie ist aber völlig unbegründet!
Babys können nicht genug verwöhnt werden. Die kleinen, hilflosen Wesen benötigen starke Wurzeln, um später ihre Flügel zu entfalten. Hand aufs Herz: Wir alle verwöhnen uns gerne – mit Schokolade, einer Massage, einem entspannenden Bad oder einer Tasse Tee. Aber gerade bei unseren Babys zögern wir oft, ihnen genau das zu geben, was sie brauchen. Und das nur, weil wir befürchten, unsere Kinder könnten deshalb später zu Tyrannen heranwachsen. Versuche, Dich von diesen Ängsten zu befreien. Verwöhnen kannst Du allenfalls ein älteres Kind durch ein Übermaß an Süßigkeiten oder Spielzeugen. Es ist aber schlichtweg nicht möglich, ein Baby oder Kleinkind mit Nähe, Liebe und Körperkontakt zu verwöhnen.
Einschlafstillen: Pro und Contra
Einschlafstillen hat eine Menge Vorteile. Zunächst entspricht es den evolutionsbiologischen Bedürfnissen der Babys. Schon Menschen und Affen vor 30 bis 40 Millionen Jahren reagierten mit Stillen auf die Unruhe der Babys. Weitere Vorzüge erläutern wir Dir in den nächsten Abschnitten ausführlicher.
Stillen unterstützt die Milchbildung
Einschlafstillen unterstützt die Milchbildung und kann die Stilldauer verlängern. Mütter in Deutschland hinken – ebenso wie die Mütter aus anderen europäischen Ländern – den allgemeinen Empfehlungen für die Stilldauer hinterher. Häufig erleben Frauen, dass ihre Milchmenge nicht auszureichen scheint. Dabei sind einige Stillprobleme selbstgemacht.
Viele Mütter haben regelrecht Angst davor, ihr Kind mit in das elterliche Bett zu nehmen und abends und nachts zu stillen. Gerade das Einschlafstillen sowie das Stillen zur Beruhigung beim Aufwachen in der Nacht ist aber wichtig, um die Milchbildung anzuregen und die Stilldauer zu verlängern. Also: Häufiges Stillen rund um die Uhr – und dazu gehört auch das nächtliche Stillen – kann die Stillbeziehung fördern.
Stillen ist ein natürliches Schlafmittel
Für Babys ist das abendliche Stillen tatsächlich das perfekte Einschlafmittel. Beim Trinken an der Brust hat es direkten Körperkontakt mit seiner Mutter, wird beschützt, gewärmt und gesättigt. All das vermittelt dem Baby ein ausgeprägtes Gefühl von Sicherheit, was extrem wichtig ist, damit es in den Schlaf findet. Kinder, die alleine im Bett schlafen sollen, entspannen sich oft deutlich schlechter, weil dieses geborgene Sicherheitsgefühl fehlt.
Dazu kommt noch, dass die Muttermilch verschiedene beruhigende und schlaffördernde Inhaltsstoffe enthält, die das Einschlafen ebenfalls erleichtern. Dazu zählt beispielsweise Tryptophan. Es wird im Organismus des Kindes zu Melatonin umgebaut, welches nachweislich schlaffördernd wirkt. Somit eignet sich das Einschlafstillen perfekt, um ein Kind abends in den Schlaf zu begleiten. Aber auch bei häufigem nächtlichen Aufwachen ist es durchaus sinnvoll, das Kind auch nachts zu stillen, weil es dann am schnellsten wieder zur Ruhe kommt.
Einschlafstillen unterstützt das Wachstum und die Entwicklung
Das Stillen nach Bedarf, das mittlerweile von vielen Ärzten, Hebammen und Stillberatern empfohlen wird, unterstützt auch eine gesunde Entwicklung und das Wachstum des Kindes. Denn: Beim Stillen nach Bedarf gibst Du Deinem Kind immer die Brust, wenn es sein Bedürfnis danach ausdrückt – egal, ob es wegen Hunger, Durst, Bauchschmerzen, Angst oder Müdigkeit ist. Dadurch trinkt es ohne Schwierigkeiten die empfohlenen acht bis zwölf Stillmahlzeiten innerhalb von 24 Stunden.
Viele Studien zeigen, dass Kinder, die häufig rund um die Uhr gestillt werden, besser gedeihen. Fallen die abendlichen und nächtlichen Stillmahlzeiten hingegen zu früh weg, kann sich das auf die altersgemäße Gewichtszunahme des Kindes negativ auswirken. Eine Begleitung in den Schlaf durch Stillen ist daher mit Sicherheit auch aus gesundheitlicher Sicht sinnvoll. Die häufigen Mahlzeiten mit Muttermilch versorgen das wachsende Gehirn mit ausreichend Nährstoffen und Energie.
Einschlafstillen macht den Alltag mit Babys und Kleinkinder leichter
Viele Kritiker sind der Meinung, die abendliche Begleitung eines Babys beim Einschlafen sei eine schlechte Angewohnheit „bequemer“ Eltern, die sie früher oder später bereuen. Das verunsichert Mütter und Väter. Eigentlich empfinden sie das Einschlafstillen als entspannten Weg der Einschlafbegleitung. Aufgrund der Warnungen vermeintlicher Experten probieren sie trotzdem viele mühsamere Alternativen aus.
So wird versucht, das Baby wach in sein Bett zu legen, damit es dort alleine einschlafen kann. Das funktioniert leider häufig nicht und endet nicht selten in Tränen und Geschrei. Der Stress erschwert ein entspanntes Familienleben extrem. An dieser Stelle empfehlen wir Dir: Lass Dich nicht verunsichern. Wenn Dein Baby an der Brust am besten einschläft, gibt es keinen Grund, das zu ändern, solange Du Dich damit wohlfühlst. Stillst Du Dein Kind in der Nacht unmittelbar, wenn es aufwacht, reduzieren sich die nächtlichen Schreiphasen ebenfalls oder entfallen sogar ganz. Einschlafstillen kann den Alltag mit Deinem Baby oder Kleinkind erleichtern und auch für Dich als Mutter Entspannungsphasen ermöglichen.
Gibt es auch Nachteile?
Es gibt einige Argumente, die gegen das Einschlafstillen angeführt werden. Am häufigsten wird kritisiert, ein Baby, das zum Einschlafen gestillt wird, könne nicht ohne Mama schlafen. Das stimmt aber nicht unbedingt. Auch der Papa des Kindes kann Strategien und Lösungen finden, die dem Grundbedürfnis nach Nähe und Wärme des Babys entsprechen und es sanft in den Schlaf begleiten. Falls Du als Mutter einmal nicht anwesend bist, kommt es vielleicht kuschelnd auf Papas Bauch oder in der Babytrage zur Ruhe. Hier kann jeder Vater selbst die optimale Lösung für sich und das Kind finden.
Manchmal wird auch behauptet, nächtliches Stillen führe zu häufigem Aufwachen in der Nacht. Spätestens ab dem sechsten Monat erwarten viele Außenstehende, das Kind müsse doch nun langsam durchschlafen. Tut ein Baby das nicht, wird das häufig auf das nächtliche Stillen geschoben. Es gibt aber keine Belege dafür, dass dazwischen ein Zusammenhang besteht. Im Gegenteil: Sowohl nachts gestillte Kinder als auch Babys, die schon lange abgestillt sind, wachen nachts manchmal noch auf. Das liegt einfach daran, dass die Schlafentwicklung wellenförmig und bei jedem Kind anders verläuft.
Hört Einschlafstillen von alleine auf?
Die größte Angst, die viele Eltern haben, besteht darin, dass das Einschlafstillen irgendwann mühevoll abgewöhnt werden muss. Doch auch ein Baby, dass in den ersten Lebensmonaten nur durch Muttermilch in den Schlaf findet, wird irgendwann ohne Brust einschlafen können. Ein Abgewöhnen durch die Mutter ist größtenteils gar nicht notwendig.
Lässt Du dem natürlichen Abstillprozess seinen Lauf, werden sich zunächst die Stillmahlzeiten am Tag immer weiter reduzieren. Am Einschlafstillen hält das Kind hingegen am längsten fest. Ab dem zweiten Geburtstag lösen sich Kinder dann in der Regel auch von dieser letzten Gewohnheit – und zwar ganz ohne Ersatzobjekte oder Ersatzhandlungen. Sie benötigen dann keinen Schnuller oder Daumen mehr, sondern schlafen zunehmend leichter alleine ein. Lediglich der Körperkontakt zu Mama oder Papa wird oft noch einige Monate lang weiterhin gewünscht.
Fazit: Alles zum Thema Einschlafstillen auf einen Blick
Einschlafstillen ist eine wunderbare Möglichkeit, ein Baby in den Schlaf zu begleiten. Mütter sollten sich hier von außen nicht verunsichern lassen und einfach ihrer Intuition folgen. Die wichtigsten Punkte zum Thema Einschlafstillen haben wir Dir hier nochmal zusammengefasst:
- Einschlafstillen ist aus evolutionsbiologischer Sicht ein Grundbedürfnis von Babys und Kleinkindern.
- Es ist ein Irrglaube, ein Kind könne durch abendliches Einschlafstillen verwöhnt werden, der letztlich nur dazu führt, dass Eltern verunsichert werden.
- Die abendliche Einschlafbegleitung an der Brust stärkt die Mutter-Kind-Bindung und wirkt sich positiv auf das Urvertrauen des Kindes aus.
- Das Saugen an der Brust erfüllt das Bedürfnis nach Nahrung, Nähe, Körperkontakt und Sicherheit, sodass es wie ein natürliches Schlafmittel wirkt.
- Häufiges Stillen – auch abends und nachts – wirkt sich positiv auf die Gewichtszunahme und Entwicklung des Babys aus.
- Einschlafstillen trägt zu einem entspannten Alltag mit Baby oder Kleinkind bei und kann auch für die Mutter als Entspannungsphase dienen.
- Viele Kinder, die in den Schlaf gestillt werden, schaffen es dennoch, auch bei Papa einzuschlafen – etwa in der Trage.
- Mütter müssen ihren Babys das Einschlafstillen nicht unbedingt aktiv abgewöhnen, denn ab einem Alter von etwa zwei Jahren lösen sich die meisten Kinder komplett selbstständig von diesem Einschlafritual.
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