Einzelkinder sind verwöhnt, egoistisch und müssen alle unerfüllten Träume ihrer Eltern verwirklichen.
Das sind nur einige der Vorurteile, die man häufig hört, wenn es um Familien geht, die nur aus drei Personen bestehen. Was davon wirklich stimmt, wie es zu erklären ist und was Mütter und Väter von Einzelkindern erzieherisch ausrichten können, soll im Folgenden behandelt werden.
Einzelkinder: Die Vorurteile
Ein Vorurteil gegenüber Einzelkindern, was sich hartnäckig hält, ist, dass diese verwöhnt seien. Sie müssen nicht mit Geschwistern teilen, weder Spielzeug noch Aufmerksamkeit der Eltern. Dass das Leben ohne Geschwister diese Eigenschaften fördert, erscheint logisch.
Auch soziale Kompetenzen werden ihnen gern abgesprochen. Kinder mit Brüdern oder Schwestern haben schließlich den ganzen Tag Spielkameraden um sich. Einzelkinder haben derweil hauptsächlich Kontakt zu Erwachsenen. Dadurch seien sie ichbezogen, kleine Egoisten und haben Schwierigkeiten, auf andere Gleichaltrige einzugehen.
Zu guter Letzt heißt es häufig das Einzelkindeltern all ihre Wünsche und Erwartungen in diesen einen Sprössling zwängen wollen. Das Kind ist dadurch überfordert und wird zu einer Art Marionette. Es soll mehrere Fremdsprachen noch vor Schulbeginn lernen und Musikinstrumente spielen. Auch im Sport soll es erfolgreich sein. Mit Geschwistern wäre das leichter gewesen. Immerhin hätte jedes eine Aufgabe übernehmen können.
Aber stimmen alle diese Vorurteile wirklich?
Vermutlich kommen dieses Klischees aus der Vergangenheit. Eine Familie mit nur einem Nachkommen war vor einigen Jahren noch die absolute Ausnahme. Kinderbetreuung war deutlich weniger ausgeprägt. Geschwisterlose Kinder hatten dadurch niemanden zum Spielen. Eine Familie mit drei oder mehr Kindern löste dieses Problem ganz automatisch.
Daher kommt wohl das Vorurteil des egoistischen Einzelkindes. Aus Mangel an Geschwistern, die ihnen als Spielkameraden dienen konnten, mussten sie mit Mama oder Papa vorlieb nehmen. Diese fühlten sich natürlich in der Pflicht, ihren Liebling, der sich in einer besonderen Stellung befand, besonders zu umsorgen. Möglich, dass es so auch zum Klischee des verwöhnten Einzelkindes kam. Was in anderen Familien auf mehrere Kinder aufgeteilt werden muss, bekommt dieses schließlich alles für sich.
Es kommt sicherlich auch auf andere Umstände an, als nur das Fehlen oder Vorhandensein von Geschwistern. Liebende, aufmerksame Mütter und Väter werden verhindern, dass sie einen Egoisten großziehen. Natürlich sind auch Familien mit mehr Kindern vor solchen Eigenschaften nicht gefeit.
Was spricht für ein Einzelkind?
Ein guter Grund, der für eine Familie, die nur aus drei Personen besteht, spricht, ist der der individuellen Förderung. Bei mehreren Kindern kann es schwierig sein, sich auf die Bedürfnisse des jeweiligen Kindes voll zu konzentrieren. So bleibt Potenzial möglicherweise ungenutzt oder schulische Leistungen leiden. Dem Elternpaar fehlt einfach die Zeit, jedes ihrer Kinder bei den Hausaufgaben zu unterstützen. Studien haben zudem ergeben, dass Einzelkinder intelligenter und kreativer sind.
Das Leben mit nur einem Sprössling ist immer noch aufregend und herausfordernd. Es ist dabei aber nicht so anstrengend und schwierig zu managen wie das in einer Großfamilie. Wer hat heute noch mal Fußballtraining, einen Arzttermin, Reiten, Klavierunterricht, Nachhilfe? Mit nur einem Spross kann das alles deutlich entspannter ablaufen.
Auch der finanzielle Aspekt kann die Familienplanung nach einem Kind abschließen. Jedes zusätzliche Baby kostet natürlich. Nicht nur die ganz pragmatischen Dinge wie Essen und Kleidung möchten abgedeckt sein. Auch Spielzeug, ein Platz im Kindergarten, Sportunterricht oder musikalische Förderung, der Familienurlaub – all das kann schon bei einem Sprössling ein ordentliches Loch ins Portemonnaie reißen. Außerdem wird ab einem gewissen Alter der Ruf nach einem eigenen Zimmer laut. Dann muss eine größere Wohnung her oder sogar ein eigenes Haus. Beides kann schwierig zu finanzieren sein.
Darüber hinaus gibt es noch viele andere, häufig individuelle Punkte, die für das Leben in einer dreiköpfigen Familie sprechen. So möchten manche Erwachsene vielleicht lieber nicht schon wieder Windeln wechseln und nachts wachgehalten werden, wo Spross 1 doch endlich aus dem Gröbsten raus ist. Oder sie genießen einfach ihre Zeit zu dritt und fühlen sich schon komplett.
Wie die Psychologin Toni Falbo 1986 außerdem herausfand: Geschwisterlose haben eine engere Bindung zu ihren Eltern.
Was spricht gegen ein Einzelkind?
Möchten Sie gern Großeltern werden, kann Ihnen ein einziger Spross einen Strich durch die Rechnung machen. Eine Studie der Uni Wien kam zu dem Ergebnis, dass Geschwisterlose häufiger kinderlos bleiben.
Oft heißt es, dass Geschwister sich miteinander beschäftigen. Mutter und Vater haben dadurch mehr Zeit für sich oder den Haushalt. Natürlich spielen Geschwister nicht automatisch miteinander. Friedlich geht es dabei auch nicht immer zu. Aber ein Einzelkind hat gar nicht die Möglichkeit dazu. Es wird daher eventuell häufiger darum bitten, dass Sie doch Zeit mit ihm verbringen.
Alle Vorurteile gegenüber Einzelkindern lassen sich nicht einfach wegwischen. Eine chinesische Studie hat ergeben, dass Kinder, die keine Geschwister haben, egoistisch sind. Natürlich hängt dies auch maßgeblich von der Erziehung ab. Man sollte jedoch im Hinterkopf behalten, dass ein einzelnes Kind eher zum Egoismus neigt. Außerdem sollen verschiedene Studien ergeben haben, dass geschwisterlose Kinder häufiger an Abhängigkeiten leiden.
Erziehung eines Einzelkindes
Die Erziehung unterscheidet sich nicht maßgeblich von der, wie sie in größeren Familien abläuft. Es gibt allerdings einige Kleinigkeiten, auf die Einzelkindeltern achten sollten.
So können Sie dazu neigen, Ihren einzigen Sprössling zu bedrängen. Es sind schließlich keine Brüder oder Schwestern da, die Aufmerksamkeit fordern. Daher kann es bei Einzelkindern leichter zu Situationen kommen, in denen das Kind sich in die Enge gedrängt fühlt. Mütter und Väter sollten daher besonders darauf achten, ihrem Spross Freiraum und Zeit für sich zu geben. Besonders wenn er wütend ist, sollte gelegentlich auf Abstand geachtet werden. Den Kleinen oder die Kleine wütend sein lassen und nicht eingreifen, fällt bei nur einem Kind eben schwer.
Gleichzeitig können geschwisterlose Söhne und Töchter dazu neigen, zu klammern. Sie wollen gern überall dabei sein. Das kann die Paarbeziehung oder auch das Besprechen von Erwachsenenthemen erschweren. An dieser Stelle sollten Einzelkindern klare Grenzen aufgezeigt werden. Es kann den Kleinen schwerfallen zu verstehen, dass es auch mal Zeiten geben muss, in denen die Erwachsenen unter sich sind. Schließlich sind sie zumindest zu Hause meistens nur von eben diesen umgeben. Erklären sie ihrem Spross in diesem Fall, dass es Unterschiede zwischen Ihnen und Kindern gibt.
Um zu verhindern, dass Sie doch einen verwöhnten Egoisten heranziehen, sollten Sie außerdem mit gutem Beispiel vorangehen. Teilen können Kinder auch lernen, wenn Mama und Papa es ihnen vorleben. Ebenso wichtig ist das Thema Verzicht. Kinder brauchen gelegentlich ein Nein, auch wenn es schwerfällt. Dieses Nein sollte immer erklärt werden, um zu verhindern, dass es als Ablehnung verstanden wird.
Förderung eines Einzelkindes
Die soziale Förderung eines Einzelkindes gestaltet sich heute deutlich einfacher. Spielgruppen oder Ausflüge auf Spielplätze können helfen, wichtige soziale Fähigkeiten zu lernen. Freundschaften sollten immer gefördert werden. Kinder sollten so viel Kontakt zu Gleichaltrigen haben wie möglich.
Auch Selbstständigkeit ist im späteren Leben wichtig. Einzelkindeltern neigen manchmal dazu, diesen nicht zu viel zumuten zu wollen. An dieser Stelle hören sie dann oft von anderen Eltern, ihr Kind sei verwöhnt. Es ist daher wichtig, auch dem Einzelkind etwas zuzutrauen. Es sollte zu Versuchen ermutigt werden. Dabei lernt es gleichzeitig, dass Scheitern dazu gehört und man aus seinen Fehlern lernen kann.
Sind geschwisterlose Kinder im späteren Berufsleben erfolgreicher?
Tatsächlich ist es so, dass geschwisterlose Jungen und Mädchen in ihrem Leben früher Karriere machen. Studien der Huffington Post fanden dies heraus. Gleichzeitig erkannten sie dabei aber auch, dass Einzelkinder länger partnerlos bleiben. Sie lassen sich außerdem häufiger scheiden.
Berühmte Einzelkinder
Unter den Berühmtheiten der Welt gibt es auch eine Menge Einzelkinder. Diese sind in ganz unterschiedlichen Bereichen erfolgreich. So sind zum Beispiel die Schauspieler Daniel Radcliffe und Natalie Portman ohne Brüder und Schwestern groß geworden. Musiklegende Elvis Presley, dessen Zwillingsbruder tot geboren wurde, blieb ebenfalls mit seinen Eltern alleine. Außerdem sind Albert Einstein, Erich Kästner und Leonardo da Vinci allesamt ohne Geschwisterkinder aufgewachsen.
Fazit
Vorurteile und Klischees, die sich um das Einzelkind ranken, sind gewiss nicht völlig aus der Luft gegriffen. Viele gehen jedoch von einer veralteten Welt aus und sind nicht mehr zeitgemäß. Außerdem spielt die Erziehung immer eine große Rolle, egal ob man Geschwister hat oder nicht.
Verschiedene Studien können diese Klischees sogar zum Teil belegen. So neigen Jungen und Mädchen, die alleine aufgewachsen sind, tatsächlich dazu, egoistisch zu sein. Gleichzeitig sind sie allerdings auch intelligenter.