Der Legende nach war Jack O’ Lantern, der später noch als Jack mit der Laterne weltberühmt werden sollte, ein irischer Hufschmied, der vielleicht – man weiß es jedoch nicht genau – bei den Tieren recht beliebt war, definitiv jedoch nicht bei seinen Mitmenschen. Denn für sie war der Trunkenbold Jack eher mit Vorsicht zu genießen. Nicht nur, weil er viel zu oft und viel zu viel trank, sondern vor allem, weil er als geizig und hinterlistig galt und niemand sicher sein konnte, nicht von ihm betrogen zu werden. Ein unsympathischer Zeitgenosse also, dessen allabendlicher Stammplatz der Tresen in der Dorfkneipe war. So auch an jenem Abend, an dem die Legende beginnt: der Abend vor Allerheiligen. Jack mit der Laterne: Die Legende vom Halloween-Kürbis
Überraschender Besuch
Eigentlich war es ein Abend wie jeder andere, mit einer winzig kleinen Ausnahme. Denn an diesem Abend vor Allerheiligen gesellte sich plötzlich ein ungebetener Gast an die Seite von Jack O’ Lantern. Kein anderer Dorfbewohner und auch kein Gast aus einem der Nachbardörfer. Sondern ein dunkel gekleidetes Wesen, das nur von sehr weit außerhalb kommen konnte. Vor allem aber ein Gast, den Jack ganz bestimmt nicht erwartet hatte: der Teufel höchstpersönlich. Dieser aber war nicht in die Dorfkneipe gekommen, um seinen Durst zu stillen, sondern vielmehr seinen Hunger. Seinen Hunger nach der durchtriebenen Seele von Jack. Und so forderte er Jack auf, mit ihm zu kommen, da seine Zeit auf Erden abgelaufen sei. Jack, der auf der einen Seite völlig geschockt war, dem auf der anderen Seite jedoch auch die Vorstellung, sein weiteres Leben oder vielmehr sein Leben nach dem Tod ohne Whiskey und Co. verbringen zu sollen, verständlicherweise mehr als nur zuwider war, bat den Teufel deshalb, ihm einen letzten Drink zu gönnen, bevor sie sich auf den Weg in die Hölle machten. Der Teufel überlegte kurz und dachte sich im Stillen: „Der arme Schlucker braucht noch einen letzten Whiskey? Warum nicht? Auf die 10 Minuten kommt es jetzt auch nicht mehr an!“, und willigte deshalb großzügig ein. Wie sich herausstellte, hatte Jack jedoch kein Geld mehr, um den letzten Whiskey seines Lebens auch wirklich zu bezahlen. Der Teufel, wie man sich vorstellen kann, natürlich auch nicht, denn der brauchte normalerweise nie Bargeld. Aber Jack zauberte auch hier wieder eine Idee aus seiner Jackentasche, appellierte an die teuflischen Kräfte seines dunklen Besuchers und überredete ihn so dazu, sich selbst in die fehlende Münze zu verwandeln. Wieder überlegte der Teufel kurz und dachte sich: „Ach, was soll’s? Dann werde ich eben kurz zu einer Münze, und sobald ich in der Kasse des Wirtes gelandet bin, verwandele ich mich zurück. Was soll’s? Auf die zwei Minuten kommt es jetzt auch nicht mehr an.“ Gesagt, getan, schon war der Teufel kein Teufel mehr, sondern eine Six-Pence-Münze. Doch der hinterlistige Jack nahm die Münze nicht, um damit seinen letzten Whiskey zu bestellen und zu bezahlen, sondern – und das hatte er noch nie zuvor in seinem Leben getan – er verzichtete auf den Drink und steckte die Münze schneller als der Teufel gucken konnte, in seinen Geldbeutel, in dem auch ein silbernes Kreuz lag. Dieses Kreuz machte es dem Teufel unmöglich, sich zurückzuverwandeln. Und genau darauf hatte der als Betrüger bekannte Jack O’ Lantern schließlich spekuliert. Als Münze in seinem Geldbeutel gefangen, konnte der Teufel Jack nichts mehr anhaben und war ihm – als ob das nicht schon reichen würde – auch noch hilflos ausgeliefert. Jack hatte also die Oberhand und schlug dem Teufel folgenden Handel vor: Wenn der Teufel versprach, darauf zu verzichten, ihn an diesem Abend mit in die Hölle zu nehmen und noch dazu schwor, Jacks Seele auch in den kommenden zehn Jahre in Ruhe zu lassen, würde Jack ihn wieder frei lassen. Der Teufel überlegte diesmal nicht lange und willigte in den hinterlistigen Handel ein, allein schon, um ganz schnell wieder aus der Nähe des Kreuzes zu entkommen, das ihm, obwohl er ja eine Münze war, unangenehme Schmerzen zufügte. Ob sich die beiden im Anschluss noch freundlich voneinander verabschiedeten, oder noch gemeinsam zusammen ein wenig an der Theke saßen und über Gott und die Welt redeten, ist nicht bekannt. Bekannt allerdings ist, was danach passierte.
Zehn Jahre später
Wieder war es die Nacht vor Allerheiligen, und wieder saß Jack O’ Lantern genau da, wo man ihn vermutet hätte: am Tresen der Dorfkneipe, das Glas Whiskey in der Hand. Und natürlich kam der Teufel wie vereinbart vorbei, um den Handel perfekt zu machen und sich endlich Jacks heiß begehrte Seele zu holen. Auch Jack schien sich diesmal, obwohl ihm das wohl niemand zugetraut hätte, an seinen Teil der Abmachung zu halten und folgte dem Teufel, aber an diesem Abend natürlich nicht, ohne sein Glas zuvor noch komplett zu leeren. Auf dem Weg allerdings kamen die beiden nächtlichen Weggefährten an einem Apfelbaum vorbei. Die Früchte daran sahen so einladend aus, dass Jack Hunger bekam und den Teufel bat, wenigstens noch einen letzten Apfel essen zu dürfen, damit ihm der Abschied aus dem Leben zumindest ein wenig versüßt würde. Der Teufel überlegte, ob dies wohl wirklich nur ein letzter Wunsch oder doch wieder eine gemeine Falle war, kam aber zu dem Schluss, dass Jack ihm ja bereits gefolgt war und wohl wirklich nichts Böses im Schilde führte. Und so gab er Jacks Bitte nicht nur nach, sondern kletterte, nachdem Jack ihm gesagt hatte, dass er selbst zu gebrechlich sei, höchstpersönlich auf den Baum, um Jack einen besonders leckeren Apfel zu pflücken. Eine fatale Fehlentscheidung, wie sich herausstellen sollte. Denn der Jack O’ Lantern, wie man ihn kannte, dachte natürlich nicht im Traum daran, seine Seele dem Teufel zu verschreiben und zückte schnellstens das Messer, das er immer bei sich trug, um in den Stamm des Baumes ein Kreuz zu ritzen. Wieder einmal war der Teufel dem hinterlistigen Jack in die Falle gegangen, saß nun auf dem Apfelbaum und hatte durch das eingeritzte Kreuz keine Chance, je wieder hinunter zu klettern. Wieder einmal begannen die Verhandlungen. Diesmal mit dem Ergebnis, dass der Teufel einwilligte, für alle Zeiten auf Jacks Seele zu verzichten, wenn dieser nur endlich das Kreuz aus der Baumrinde wieder entfernen würde. Da Jack O’ Lantern nichts anderes bezweckt hatte, entfernte er das Kreuz gut gelaunt ebenso schnell wieder aus dem Baumstamm wie er es hineingeritzt hatte. Endlich war er den Teufel ein für allemal los und begab sich dorthin zurück, wo er am liebsten war – in seine Dorfkneipe.
Zwischen Himmel und Hölle
Die Jahre vergingen, und es kam der Tag, der unausweichlich war. Der Tag, an dem Jack O’ Lantern starb. Weder vom Teufel geholt, noch von einem Engel zur Himmelspforte zitiert. Er starb eines natürlichen Todes. Vielleicht aber hatte er auch einen über den Durst und damit seinen letzten Whiskey zu viel getrunken. Jedenfalls machte sich seine Seele auf den Weg in den Himmel, klopfte an das große schwere und noch schwerer bewachte Eisentor und – welch’ Überraschung – der Einlass wurde ihm verweigert, da er Zeit seines Lebens geizig, hinterlistig und betrügerisch gewesen war. Stattdessen wurde ihm geraten, es in der Hölle zu versuchen. „Was soll’s?“, dachte sich Jack ergeben, „Dann versuche ich es eben in der Hölle, ist wahrscheinlich eh lustiger mit dem Teufel, den weiß ich wenigstens zu nehmen und kann mir vielleicht mit allerlei Tricks ein dennoch angenehmes Leben nach dem Tod ermöglichen!“ Also machte er sich auf zum Teufel, der schließlich schon zweimal seine Seele hatte haben wollen. So sicher sich Jack war, dass er in der Hölle Einlass finden würde, umso überraschender die Antwort des Teufels, als dieser vor ihm stand: „Jack O’ Lantern, welch’ Freude, Dich zu sehen. Du warst ein so schlechter Mensch, dass Du hervorragend zu mir und zu meinem Fegefeuer passen würdest, aber Du erinnerst Dich doch sicher daran, dass ich Dir mein Wort gegeben habe, niemals wieder Deine Seele haben zu wollen? Und da ich ein Ehrenmann bin, der seine Versprechen hält, kann ich Deine Seele leider und so sehr ich das bedaure nicht bei mir aufnehmen!“ Jack O’ Lantern erstarrte. Wo sollte er denn hin, wenn er weder im Himmel noch in der Hölle aufgenommen würde? Rast- und ruhelos für immer durch die Dunkelheit irren? Ihm wurde klar, dass es genau so sein würde. Seine genialen, aber boshaften Betrügereien, die er Zeit seines Lebens und vor allem auch beim Teufel angewendet hatte, wurden ihm nun zum grausamen Verhängnis. Das erkannte auch der Teufel, dem der heimatlose Jack nun tatsächlich ein wenig leid tat. Da er nicht mehr für ihn tun konnte, wenn er sein eigenes Versprechen nicht brechen wollte, gab er ihm ein Stück Kohle aus dem Feuer der Hölle, der Jacks Weg durch die ewige Finsternis ein wenig erhellen sollte. Denn dieser Weg war nicht nur endlos und stürmisch, sondern auch einsam, kalt und schwarz wie die Nacht. Jack O’ Lantern blieb also keine andere Wahl, als für immer durch die Finsternis zu wandern. Damit das Stück Kohle jedoch nicht ausglühen konnte, höhlte er eine Rübe, die er noch in seiner Tasche gefunden hatte, aus, legte die Kohle hinein und bastelte sich so eine windgeschützte Laterne, die ihn auf seinem niemals endenden Weg wahrscheinlich auch noch heute begleitet. So zumindest erzählt es die Legende.
Ein Licht in der Dunkelheit
Was früher die Rübe war, sind heute die Kürbisse. Denn viele Iren, die mit der Legende von Jack O’ Lantern aufgewachsen sind, mussten ihre Heimat vor vielen Jahren auf Grund einer großen Hungersnot verlassen. Die meisten von ihnen flüchteten nach Amerika, wo Halloween allerdings gänzlich unbekannt war. Und auch mit den Rüben oder Möhren sah es schlecht aus, denn so viele wie in Irland gab es hier nicht. Da Not aber bekanntlich erfinderisch macht, beschlossen die Iren, die ihr eigenes Land hatten verlassen müssen, das Halloween-Fest einfach in ihrer neuen Heimat weiter zu feiern und anstelle von Rüben oder Möhren die prächtigen Kürbisse zu nutzen. Diese ließen sich nicht nur besser aushöhlen und mit abschreckenden Fratzen versehen, sie waren auf Grund ihrer Größe wahrscheinlich noch besser geeignet, böse Geister und vielleicht sogar den Teufel höchstpersönlich zu verschrecken. Denn schließlich war auch Jack O’ Lantern, seitdem er sich mit seiner Rüben-Laterne die ewige und dunkle Nacht erhellte, nie wieder von einem von ihnen behelligt worden. Vor allem nicht in der Nacht vor Allerheiligen, der Nacht von Halloween, in der sich die Schleier zwischen der Welt der Lebenden und der Toten lüften.
Schreibe einen Kommentar