Der Schlüssel für den Briefkasten ist unauffindbar, die beste Freundin wartet seit Tagen auf einen Rückruf. Und wann war noch gleich der Termin beim Zahnarzt? Wenn Sie vor Kurzem entbunden haben, dann kommen Ihnen Szenen wie diese möglicherweise bekannt vor. Konzentrationsschwierigkeiten und Vergesslichkeit sind typische Anzeichen der sogenannten Stilldemenz. Dies ist ein Phänomen, das frischgebackene Mütter – und Väter! – sehr häufig betrifft. Es ist allerdings kein Grund zur Sorge.
Das Phänomen der Stilldemenz: Was ist das überhaupt?
Nicht nur während der Schwangerschaft und der Geburt befindet sich der Körper im Ausnahmezustand. Auch die ersten Wochen und Monate nach der Geburt des Kindes gleichen nicht selten einer Achterbahnfahrt. Schlaflosigkeit, die Sorge, ob mit dem Kind auch alles in Ordnung ist, und nicht zuletzt die Veränderungen des Hormonspiegels machen vielen Müttern schwer zu schaffen. Das bisherige Leben wird komplett umgekrempelt.
Es sind also verschiedene Faktoren, die letztlich für reichlich Stress sorgen. In der Folge lässt die Konzentration nach, das Gedächtnis scheint vorübergehend nicht optimal zu funktionieren, Vergesslichkeit tritt auf. Dass es die Stilldemenz tatsächlich gibt und es sich bei dieser Symptomatik nicht nur um rein subjektive Wahrnehmungen handelt, wurde mittlerweile in zahlreichen Studien untersucht und belegt.
Stilldemenz: Symptome
- Nachlassende Gedächtnisleistung: Mama wird schusseliger und vergesslich.
- Konzentrationsschwäche: „Was hast du gerade nochmal gesagt?“
- Wortfindungsstörungen: „Wie sage ich das jetzt?“
Ist Stilldemenz eine Krankheit?
Anders, als der Name es im ersten Moment vermuten lässt, hat die Still- oder Schwangerschaftsdemenz nichts mit einer echten demenziellen Erkrankung zu tun. Diese Bezeichnung für Gedächtnisstörungen nach der Geburt des Kindes ist im umgangssprachlichen Bereich entstanden und zielt mit dem Wortteil „Demenz“ auf das Symptom der Vergesslichkeit ab.
Im Fachjargon ist häufig von „maternal amnesia“ (wörtlich: „mütterliche Amnesie“) die Rede.
Ursachen: Wie es zur Stilldemenz kommt
Wie bereits erwähnt, ist es ein Bündel verschiedener Faktoren, das letztlich dazu führt, dass Mütter im Wochenbett und auch in den Monaten danach mit Symptomen der Stilldemenz zu kämpfen haben.
Hormone
Während die beiden Hormone Progesteron und Östrogen bereits zum Ende der Schwangerschaft hin auf Talfahrt gehen, steigt der Spiegel von Oxytocin und Prolaktin an. Diese Hormone steuern die Milchbildung. Die Mutter ist während der Stillzeit voll auf ihr Kind fokussiert, alltägliche Dinge verlieren vorübergehend an Bedeutung. Auch das Stresshormon Kortisol wird vermehrt ausgeschüttet: ebenfalls ungünstig für die Gedächtnisleistung.
Für die Stilldemenz verantwortlich zeigt sich insbesondere das Hormon Kortisol, das nach der Entbindung und in den ersten Wochen danach vermehrt im Körper jeder Neu-Mutter zu finden ist. Auch wenn es eigentlich die positive Absicht hat, den Geburtsschmerz vergessen zu machen, sorgt das Kortisol jedoch gleichzeitig dafür, dass auch anderes in Vergessenheit gerät – nicht nur der Geburtstag des Patenkindes oder die auszuräumende Waschmaschine. Das frischgebackene Mütter ihr Baby im Kindersitz im Auto vergessen haben sollen, davon hat man auch schon gelesen.
Gegen die Hormonumstellung also ist jede Mutter machtlos, da sie von der Natur als Schutzfunktion eingerichtet wurde und trotz aller Vergesslichkeit und Pannen ihren Sinn hat. Dafür können Sie Vitamin- und Schlafmangel ausgleichen bzw. von Anfang an verhindern.
Vitaminmangel
Das Stillen entzieht der Mutter wertvolle Vitamine und Mineralien. Vor allem ein Mangel an Vitamin B12, Folsäure, Zink und/ oder Eisen wirkt sich dabei negativ auf das Erinnerungsvermögen aus. Das Gehirn wird nicht ausreichend mit den wichtigen Vitaminen und Mineralstoffen versorgt und hat somit keine Reserven, auf die es zurückgreifen kann.
Wenn Sie Ihr Baby also nicht aus Versehen in seinem Kinderwagen im Hausflur vergessen möchten, sollten Sie gerade in der Stillzeit auf die erforderliche Vitaminzufuhr achten. Hier hilft eine ausgewogene Balance aus nährstoffreichen Vollkornprodukten, frischem Obst und Gemüse, Milch und Eiern sowie natürlich Fleisch und Fisch.
Tipps für die Ernährung in der Stillzeit haben wir Ihnen hier zusammengestellt: Ernährung in der Stillzeit: 10 Tipps
Schlafmangel
Kaum zu vermeiden ist der dritte Faktor der Stilldemenz, der sich negativ auf die Leistungsfähigkeit und Gedächtnis auswirkt: Der Schlafmangel.
Ein fester Schlafrhythmus? Fehlanzeige. In den ersten Wochen und Monaten nach der Geburt des Kindes ist kaum an eine entspannte Nachtruhe zu denken. Der Nachwuchs möchte in regelmäßigen Abständen gestillt werden, und das natürlich auch zu nachtschlafender Uhrzeit. Bekommt die Mutter also nicht ausreichend Schlaf, oder wird ihre Tiefschlafphase immer wieder unterbrochen, kann sich dies negativ auf die Leistungen des Gehirns und auf die Konzentration auswirken.
Überforderung
Fehlender familiärer und sozialer Rückhalt in solchen stressigen Phasen fördert nicht zuletzt ebenfalls das Auftreten einer Stilldemenz.
Wie lange dauert die Stilldemenz?
Das Phänomen der „mütterlichen Amnesie“ beginnt meist zum Ende der Schwangerschaft hin und nach der Geburt des Kindes. Es kann das ganze erste Lebensjahr des Babys andauern – zwingend ist dies aber nicht der Fall. Die Symptome verschwinden nach einigen Monaten von alleine wieder.
Leiden nur stillende Mamas unter Stilldemenz?
Nein, das ist nicht so. Auch Mütter, die nicht stillen, und sogar Väter können von der Stilldemenz betroffen sein und vergesslich werden. Dies ist auf die vielfältigen Ursachen dieser Symptomatik zurückzuführen.
Wenn Sie Ihr Kind mit der Flasche großziehen, unterliegt Ihr Körper trotzdem einer Hormonumstellung und muss sich erst einmal von Schwangerschaft und Geburt erholen. Und durchschlafen wird Ihr Kind vermutlich auch mit Fläschchen nicht von jetzt auf gleich.
Da sich frischgebackene Väter zunehmend bei der Kinderbetreuung und –erziehung engagieren, können auch sie nicht ausreichend schlafen, der Stresspegel ist erhöht. Damit sind auch bei ihnen die Voraussetzungen für vorübergehende Konzentrations- und Gedächtnisstörungen gegeben.
Was hilft bei Stilldemenz? Unsere Tipps
Ausreichend schlafen
Das klingt leichter gesagt als getan. Nutzen Sie dennoch jede freie Minute für ein Nickerchen. Schläft Ihr Baby, schlafen sie auch. Praktisch für stillende Mütter sind Beistellbetten. So müssen Sie nachts nicht jedes Mal ganz aufstehen, wenn Ihr Baby sich meldet.
Stillen in der Nacht
Gestalten Sie das Stillen in der Nacht so einfach wie möglich – sozusagen im Halbschlaf. Das funktioniert, wenn das Baby direkt mit ihnen zusammen in einem Beistellbett schläft, oder seine Wiege nur einen Handgriff entfernt ist. Denn dann brauchen Sie Ihr Baby einfach nur zu sich herüber zu heben und anzulegen. Bleiben Sie auch beim Stillen einfach liegen und lassen Sie vor allem das Licht aus. Denn das hilft Ihnen und Ihrem Baby, nach der hungrigen Mahlzeit ganz schnell wieder einzuschlafen und insgesamt von der Tiefschlafphase maximal in den Zustand des Halbschlafes zu kommen, anstatt ganz aufzuwachen.
Tipp: Auch das Wickeln in der Nacht ist nur im zwingenden Notfall erforderlich und sollte sonst während der für Mutter und Kind gleichermaßen wichtigen Nachtruhe eher vermieden werden.
Keine Zeit zum Kochen?
Versuchen Sie trotzdem, möglichst gesund und vitaminreich zu essen, auch, wenn es schwerfällt. Um die Leistung des Gehirns zu verbessern, sind die Vitamine C, E sowie Vitamin B 12 und der Mineralstoff Zink zu empfehlen. Ein schneller Salat und frisches Obst zwischendurch sind besser als Cookies und Pizza. Ihre Freunde und Familie bieten Hilfe an? Umso besser: Fragen Sie sie doch ruhig mal, ob Sie Ihnen ein frisch gekochtes Essen spendieren.
Trinken nicht vergessen
Nicht nur essen, auch trinken ist wichtig. Das gilt in der Stillzeit im Besonderen, aber auch ganz allgemein. Denn ausreichende Flüssigkeitszufuhr fördert die Gedächtnisleistung.
Terminkalender
Termine sofort in den Kalender eintragen. Am besten Sie nutzen die praktischen Online-Tools oder Apps auf dem Smartphone. Mit der aktustische Erinnerungsfunktion, können Sie dem Gedächtnis auf die Sprünge helfen. Mit einer App für ihre Einkaufsliste können Sie, vorausgesetzt Sie vergessen das Handy nicht zu Hause, auch von unterwegs auf die Liste zugreifen und diese ergänzen.
Alles an seinen Platz
Wenn Autoschlüssel und Smartphone immer am selben Platz liegen, kann das hilfreich sein. Nicht nur in Zeiten der Stilldemenz!
Viel Sauerstoff
Auch dann, wenn Ihnen im Moment nicht danach ist, sollten Sie zusehen, dass Sie zwischendurch immer mal wieder an die frische Luft kommen. Das kann wahre Wunder wirken. Drehen Sie öfters eine Runde mit dem Kinderwagen: Das gemütliche Geschaukel wirkt auch beruhigend auf ihr Baby.
Papa sollte mithelfen
Immer mehr Väter sind stolz, wenn Sie sich bereits in den ersten Wochen und Monaten nach der Geburt des Kindes einbringen können. Und Sie finden auf diese Weise mehr Zeit, um auch zwischendurch mal zu schlafen.
Fazit: Stilldemenz ist ein vorübergehendes Phänomen
Für den Fall, dass Sie gerade ein Kind bekommen haben und vermehrt unter Vergesslichkeit und Konzentrationsschwäche leiden, sollten Sie sich keine Sorgen machen. Vermutlich leiden Sie an der sogenannten Stilldemenz, einem Phänomen, das bis zu 80 Prozent der frisch gebackenen Mütter betreffen kann. Als Ursachen kommen die Hormonumstellung, aber auch Schlafmangel und Überforderung in Frage.
Auch, wenn Sie nicht stillen, können Sie davon betroffen sein. Eine Krankheit oder eine echte Demenz ist die Schwangerschafts- oder Stilldemenz jedoch nicht. Nach spätestens einem Jahr hat ihr Gedächtnis wieder die volle Leistungsfähigkeit erreicht. Eine möglichst gesunde Lebensführung und ausreichend Schlaf wirken sich vorteilhaft aus. Nicht zuletzt bringt die Stilldemenz jedoch tatsächlich auch etwas Positives mit sich: Die Strapazen und Schmerzen der Geburt geraten buchstäblich schneller in Vergessenheit.
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